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Gesamtstaat oder Streit zwischen Bund und Land?

13.06.16 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Natürlich muss man sich die Frage stellen, welchen Sinn es hat, eine Infrastruktur für mehr Verkehr zu ertüchtigen, obwohl man genau weiß, dass man diese zusätzlichen Verkehrsleistungen nicht wird bezahlen können. Zur Erinnerung: Jahrelang lag in Nordrhein-Westfalen das Geld für die Verlängerung der Linie S4 über Dortmund-Lütgendortmund hinaus nach Wanne-Eickel bereit. Es wurde nicht abgerufen, weil die zusätzlichen Zugkilometer nicht hätten finanziert werden können.

2005 kam die schwarz-gelbe Landesregierung ins Amt und alle bereits vorhandenen Zielvereinbarungen wurden einer Neubewertung unterzogen. Die Chance, die Strecke zu verlängern, ist somit wohl auf absehbare Zeit vertan. Man muss also beides sehen: Einerseits ist es aus Sicht der Vertreter der Eisenbahn sehr vernünftig, wenn man Fakten schafft. Man hat das bei Stuttgart 21 gesehen: Das Projekt wird teurer und teurer, aber weil immer weitergebaut wird, wäre auch ein Projektabbruch immer teurer. Man baut eben einfach.

Vor diesem Hintergrund ist es in Köln, aber auch an vielen anderen Orten, durchaus richtig, dass man Infrastrukturverbesserungen realisiert, wo es möglich ist. Auch wenn man die zusätzlichen Leistungen vielleicht erst später oder gar nicht wird bestellen können. Natürlich sind Versprechungen wie „Wenn der Bund bzw. das Bundesunternehmen DB Energie uns eine Oberleitung aufhängt, fahren heutige Diesellinien nicht mehr alle Stunde, sondern alle zehn Minuten“ unrealistisch.

Entscheidend ist in solchen Fällen aber auch ein anderer Punkt: Letztes Jahr auf dem Kölner Eisenbahnkongress nannte VDV-Präsident Jürgen Fenske (hauptberuflich Vorstandsvorsitzender der Kölner Verkehrsbetriebe) die ÖV-Finanzierung eine „gesamtstaatliche Aufgabe“. Wo der VDV-Präsident recht hat, hat er recht, ohne Frage.

Allerdings: Wenn dann mehr oder weniger die gesamte Branche sich in der Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern einseitig auf die Seite der Länder stellt und deren Verweigerungshaltung unterstützt, dem kann man nur schwer abnehmen, dass er sich wirklich für einen besseren Schienenverkehr einsetzt. Möglicherweise sollte der Bund seine Gelder in Zukunft noch stärker nach einem finanziellen Engagement der jeweiligen Länder vergeben.

Also wenn eine Landesregierung zusagt, bestimmte Leistungsausweitungen finanziell sicherzustellen, dann gibt es dort Bundesgelder für den Infrastrukturausbau. Eine Landesregierung, wie etwa die nordrhein-westfälische, die jedes finanzielle Engagement zugunsten der Schiene kategorisch ausschließt, bekäme entsprechend weniger Bundeszuwendungen. Hier mag zwar die Frage nach objektiver Notwendigkeit nicht so stark berücksichtigt sein, wie sie es sollte.

Aber an zahlreichen Infrastrukturprogrammen sieht man: Wenn die Länder sehen, dass sie durch die Eigeninvestitionssumme X die höhere Gesamtinvestitionssumme Y auslösen können und dass dadurch ein Nutzen entsteht, der sonst nicht da wäre, sind sie meistens bereit, sich sehr wohl zu beteiligen. Denn so schafft man die Voraussetzungen, dass der Schienenverkehr wirklich eine „gesamtstaatliche Aufgabe“ wird.

Siehe auch: Netzbeirat bewertet BVWP-Entwurf

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