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Der Erfolg im Ländle

02.05.16 (Baden-Württemberg, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

In einem Rechtsstaat steht es selbstverständlich jedem zu, rechtliches Gehör in Anspruch zu nehmen und gegen Entscheidungen juristisch vorzugehen. Wenn man bei DB Regio im Ländle also der Überzeugung ist, dass das eigene Angebote zu unrecht ausgeschlossen wurde, dann ist es nicht nur legitim, sondern im Interesse des Unternehmens notwendig, vor die Vergabekammer zu ziehen.

Doch es gibt nicht nur die juristisch, sondern auch die politische Ebene und hier ist die Vergabe in Baden-Württemberg ein voller Erfolg: Einerseits gelang es, den Zuschussbedarf erheblich zu senken und die Qualität zu steigern. Bei allen Bedenken zeigt sich aber auch, dass DB Regio eine außerordentliche positive Entwicklung genommen hat und heute ein modernes Dienstleistungsunternehmen ist, das nichts mehr mit der alten Behördenbahn zu tun hat.

Da ist es besonders ärgerlich, dass ein reiner Formfehler für den Ausschluss des Angebotes gesorgt hat. Daraus wird man lernen und sich für kommende Vergaben besser aufstellen. Das muss man auch. Denn Annahmen, wonach eine wie auch immer geartete „Vergabewelle“ dafür sorgen werde, dass ein „Erstellermangel“ auftritt und dass keiner mehr Eisenbahn fahren will, sind in der Praxis nun endgültig widerlegt worden.

Es gibt eine hohe Zahl an Bietern und die ist erneut gestiegen. Go-Ahead ist in den Markt gekommen, nach National Express der zweite internationale Verkehrskonzern in Deutschland, der erst nach dem Abellio-Urteil gekommen ist. Mit RATP aus Frankreich und MTR aus Fernost haben weitere Akteure zumindest schon Interesse gezeigt und erste Gehversuche bei laufenden Vergaben gemacht, auch wenn es (bislang) noch nicht von Erfolg gekrönt war.

Der Markt funktioniert also sehr wohl und Baden-Württemberg zeigt das einmal mehr. Es ist übrigens nach wie vor das legitime Recht der Aufgabenträger, von Finanzierungshilfen abzusehen. Selbstverständlich obliegt einzig dem Besteller die Richtlinienkompetenz und der kann und soll nach eigenem Ermessen entscheiden, wie der Hase zu laufen hat.

Allerdings: Je mehr Risiken ein Aufgabenträger dem Betreiber aufbürdet, desto teurer wird es. Denn jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen, auch DB Regio, rechnet wirtschaftlich und preist Risiken ein. Der Betreiber ist nicht die Vollkaskoversicherung der Aufgabenträger für alle Lebenslagen. So muss man auch beim Besteller abwägen: Wo ist es sinnvoll, selbst ins Risiko zu gehen und wo ist es sinnvoll, das den Betreiber tun zu lassen?

Die Antworten können bei 27 Aufgabenträgern unterschiedlich ausfallen und bei voneinander abweichenden Bewertungen und Einschätzungen ist es auch nicht angemessen, pauschal von „richtig“ oder „falsch“ zu sprechen. Da kann es, je nach Art und Umständen des Ausschreibungsobjektes, sogar innerhalb eines Aufgabenträgers zu unterschiedlichen Bewertungen kommen.

Aber die praktische Erfahrung zeigt seit Jahren: Immer dort, wo der Einstieg so leicht wie möglich gemacht wird, kommen viele Bieter. Wenn der Aufgabenträger sich und sein Netz attraktiv machen will, dann hat er eine hohe Resonanz und – wie jetzt im Ländle – ein gutes Ergebnis.

Siehe auch: Endgültig: Abellio und Go-Ahead fahren Stuttgarter Netze

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