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Von Lebenslügen verabschieden

18.02.16 (Baden-Württemberg, Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist schon grotesk. Zum einen mahnt die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg eine ausreichende öffentliche Kofinanzierung für den ÖPNV an, zurecht. Zum anderen wird aber nach wie vor und seit Jahren ohne erkennbaren Erfolg Geld für „urbane Elektromobilität“ ausgegeben. Anstatt sich für ein Elektrifizierungsprogramm im Eisenbahnwesen einzusetzen und die Innovationen, die im Bereich konventioneller Dieselbusse gemacht werden, zu nutzen, schreitet man – nicht nur im Ländle – den Holzweg weiter voran.

Stadtbusse in elektrischer Traktion sind nicht marktfähig und werden es wahrscheinlich nie werden. Es geht hier nicht nur um ökologische, sondern auch um ökonomische Überlegungen. Wobei: Je nachdem, aus was für Kraftwerken der Fahrstrom für solche Oberleitungsbusse kommt, ist das mit dem Umweltschutz so eine Sache. Und eine riesige Batterie, die nach sechs Jahren im Betrieb für sechs Millionen Jahre auf dem Sondermüll rumliegt, ist auch nicht besonders „nachhaltig“, um ein beliebtes Schlagwort in dieser Debatte zu nutzen.

Ein einfaches Beispiel haben die Kölner Verkehrsbetriebe vor einigen Wochen selbst gegeben: Ein konventioneller Dieselbus mit Baujahr ´13 verbraucht etwa 53 Liter auf hundert Kilometern, einer mit Baujahr ´16 nur noch 49 Liter. Innerhalb von knapp drei Jahren konnte damit der Spritverbrauch um rund 7,5 Prozent gesenkt werden. Das ist übrigens kein Einzelfall, sondern die F&E-Abteilungen der Dieselbushersteller glühen: Der Markt ist groß, die Nachfrage konstant hoch und die Konkurrenzsituation untereinander ebenfalls, so dass sich die Unternehmen gegenseitig zu Höchstleistungen antreiben. Da muss man einfach akzeptieren, dass es sinnvoller ist, hier auf den technischen Fortschritt zu vertrauen und sicherzustellen, dass regelmäßig neue Busse angeschafft werden. Vergleiche der Baujahre 1986, 1996, 2006 und 2016 dürften noch deutlicher ausfallen.

Natürlich kann man jetzt argumentieren, dass man beides braucht: Ein Elektrifizierungsprogramm für die Schiene und die Umstellung auf elektrische Traktion im Busverkehr. Nur: Geld ist etwas endliches, nicht nur aufgrund der Schuldenbremse im Grundgesetz. Auch der Staat bzw. die öffentliche Hand kann jeden Euro, den sie ihren Bürgern gewaltsam weggenommen hat, nur einmal ausgeben. Irgendwo muss man dann Prioritäten setzen. Da ist es eben sinnvoller, in barrierefreie Haltestellen, die Aufenthaltsqualität und ja, auch in Oberleitungen im Schienenverkehr zu investieren.

Nun soll hier nicht Helmut Kohls geistig-moralische Wende von 1982 exhumiert werden, als man den Umweltschutz kurzerhand für „Quatsch“ erklärt hat. Aber es ist an der Zeit, sich dem Thema ideologiefrei zu nähern. Und dazu gehört neben der Erkenntnis, dass der Dieselbus am Markt wohl dauerhaft besser dasteht als der Elektrobus auch die Tatsache, dass es in diesem Bereich massive Verbesserungen gegeben hat und weiter geben wird. Man muss sich so schnell als möglich von einigen Lebenslügen in Fragen der Elektromobilität verabschiedet und anerkennt, dass auch der konventionelle Dieselantrieb Zukunft hat.

Siehe auch: Baden-Württemberg: Hoher Investitionsbedarf

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