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Anspruch und Realität

28.01.16 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Natürlich klingt ein Satz wie „Bus und Bahn sind so beliebt wie nie“ besser als der Hinweis, dass öffentliche Verkehrsmittel im allgemeinen und die Schiene im besonderen auf dem Gesamtmarkt nach wie vor nur ein Nischen- und Randprodukt sind. Aber genau das ist es: Klar steigen die absoluten Fahrgastzahlen in den letzten zwanzig Jahren immer weiter an, aber so tut es auch das Gesamtverkehrsaufkommen. Die Schiene wächst – bundesweit im Durchschnitt – mit.

Eine Verkehrswende findet nicht statt. Weder im Hinblick auf mögliche und eigentlich notwendige Verkehrsvermeidung, noch bezogen auf die Frage nach einer ernsthaften Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Natürlich spielt der ÖPNV in Metropolregionen wie München, Hamburg, Berlin, Köln/Bonn oder Rhein/Main eine entscheidende verkehrspolitische Rolle. Hier von einem Erfolg insgesamt zu sprechen ist – freundlich formuliert – eine hochgradig manipulative Argumentation.

Natürlich kann man damit politische Mandatsträger beeindrucken, die ihren Posten über Regional- und/oder Parteiproporz erhalten haben und denen Fachtermini wie „Modal Split“ unbekannt sind. Mehr aber auch nicht. Und der Anspruch ist ja auch gar nicht da. Wenn die BVG AöR offen sagt, dass das Wachstumspotential, das die Captive Rider bieten, also die, die keine Alternative haben, völlig ausreichend sei, dann hat zumindest dieses Verkehrsunternehmen den Anspruch, eine Verkehrswende mitzugestalten, aufgegeben. Da können die VDV-Oberen noch so sehr über vermeintliche Erfolge schwadronieren, wenn die praktische Realität in der alltäglichen Unternehmenspolitik eine andere ist.

Interessant ist dabei auch, dass die Umsätze stärker steigen als die Fahrgastzahlen. Die Preissteigerungen schlagen also durch und sorgen dafür, dass Geld in die Kasse kommt. Wichtig ist dann eben, dass höhere Markteinnahmen auch für qualitative und quantitative Verbesserungen aufgewandt werden. Wenn das Geld einfach nur für steigende Trassenpreise draufgeht, sondern dass die Fahrgäste – für die ein Umstieg aufs Auto dank Billigsprit im Moment so verlockend ist wie noch nie – merken, wo das Geld bleibt.

Doch genau das droht nicht der Fall zu sein, wenn der bundesweite Kostendeckungsgrad bei steigenden Umsätzen sinkt. Es muss also ähnliche Effekte gegeben haben, wie sie schon beim Gewinneinbruch der Deutschen Bahn 2015 zu beobachten waren: Wenn trotz steigendem Umsatz das Endergebnis sinkt, dann stimmt auf der Kostenseite etwas nicht. Der Dieselpreis sinkt erheblich, natürlich gab es einige im Interesse der Arbeitnehmer gute neue Tarifabschlüsse aber ist das wirklich die einzige Erklärung?

Oder sind nicht gerade im kommunalen ÖPNV, bei den BVGs und EVAGs dieser Welt nach wie vor erhebliche Ineffizienzen vorhanden, die vom Fahrgast mitfinanziert werden müssen? Und da reicht es eben oft nicht zu sagen „Wir sind immer wirtschaftlicher geworden“, sondern hier muss sichergestellt werden, dass es eben nicht reicht, sich selbst zu bescheinigen, dass alles toll ist. In vielen Punkten ist nämlich gerade nicht alles gut, sondern es gibt noch immer erhebliche Mentalitätsprobleme.

Siehe auch: VDV: Zehn Milliarden Fahrgastfahrten 2015

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