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Der Staat als Beute?

10.12.15 (Berlin, Brandenburg, Kommentar) Autor:Max Yang

Ein Bekannter von mir besuchte vor kurzem im Verkehrsmuseum der britischen Hauptstadt London eine Sonderausstellung anlässlich der Inbetriebnahme des Nachtnetzes der U-Bahn, welche noch bis April 2016 läuft. Ein dort aufgehängtes Gemälde von Joe Waldron mit dem Titel „Overground drinks“ beschäftigt sich mit der Entwicklung des Nachtlebens entlang des London-Overground-Netzes und ist kommentiert mit „With the development of the London Overground since 2007, the focus of London’s nightlife has widened to include locations which were not previously considered accessible. More and more people are going out at night in areas along the London Overground line, creating a new side to London at night.“

Doch was hat das mit der S-Bahn in Berlin zu tun, wird sich der kritische Leser wohl zurecht fragen. Einerseits weist das Overground-Netz durchaus gewisse Ähnlichkeiten mit großstädtischen deutschen S-Bahn-Netzen auf. Andererseits zeigt die künstlerisch verarbeitete Londoner Beobachtung, dass Verkehrsanbindung und wirtschaftliche Entwicklung miteinander zusammenhängen. Und die britische Hauptstadt hat mit Crossrail noch ein weiteres Generationenprojekt in der Pipeline, das sich der baldigen Fertigstellung nähert und bereits seit einiger Zeit Bewegungen auf dem Wohnungsmarkt auslöst.

In Berlin hingegen wird zwar oft über einen schwierigen Wohnungsmarkt und Verdrängung wirtschaftlich schwächerer Bürger aus der Innenstadt geklagt, doch die Schaffung von Alternativen etwa in Form einer besseren Anbindung von Außenbezirken Berlins sowie Speckgürtelkommunen im Brandenburgischen kommt mangels politischen Willens nicht voran. Die Wiederherstellung des Zustands vor der deutschen Teilung ist zwar (mit gewissen Abstrichen) erreicht worden, allerdings kann die Verwaltung des Status Quo in der ewig wachsenden Bundeshauptstadt nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Dennoch hat sich das Land Berlin mit der „Witz-Ausschreibung“ (B.Z.) keinen Gefallen getan. Nicht nur die Kosten steigen erheblich, auch die Art und Weise, wie der „Wettbewerb“ durchgeführt wurde, kann nur als abschreckende Maßnahme gegen Wettbewerbsunternehmen verstanden werden. Andere Aufgabenträger haben schon vor langer Zeit festgestellt, dass durch Wettbewerb die Kosten für die Aufgabenträger spürbar gesenkt werden können. Es wird auch bei den NE-Bahnen registriert werden, dass sie im Land Berlin nicht willkommen sind. Keiner möchte sich als nützlicher Idiot hergeben, um lediglich den Preis für den Wunschbetreiber mit dem guten Draht zur Politik zu senken.

Eigentlich kann sich die Berliner Landespolitik angesichts der Haushaltslage und den darbenden Bildungseinrichtungen nicht wirklich den Luxus leisten, zulasten der Steuerzahler Wahlgeschenke an die Führungskräfte eines unzuverlässigen Unternehmens zu verteilen. Das Geld wäre etwa beim Ausbau von S- und U-Bahn-Linien viel besser angelegt. Übrigens sollten auch die NE-Bahnen nicht alles hinnehmen. Auch was vielleicht nicht justiziabel ist, muss auf der Ebene politischer Kontakte immer wieder thematisiert werden.

Siehe auch: S-Bahn Berlin geht erneut an DB AG

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