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Die eingetretenen Worst-Case-Szenarien

07.12.15 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Als der Börsengang der Deutschen Bahn geplant war, ging niemand davon aus, dass es jemals wieder zu negativen Geschäftsentwicklungen würde kommen können. Denn wie auch? Der Sanierungsweg war ja vermeintlich abgeschlossen, die Bahn war „börsenfähig“, wie es so schön hieß. Zumal man ja neben freiem Aktienhandel an der Börse vor allem große Partner haben wollte, vielleicht Pensions- oder Rentenfonds oder auch Investmentunternehmen.

Ein Blick auf die der Deutschen Bahn artverwandte Deutsche Telekom zeigt, was passieren kann: In den Nullerjahren hielt hier die US-Investmentfirma Blackstone einen Anteil, der gerade einmal groß genug war, um überhaupt meldepflichtig zu sein. Trotzdem gab der Minimalinvestor den Ton im Konzern an. Sowas wäre auch bei der Deutschen Bahn eine realistische Option gewesen, gerade auch nachdem mit ICE-Achsen, Berliner S-Bahnkrise, Abellio-Urteil und zahlreichen zum Teil langjährigen Lieferverzögerungen verschiedener Regional- und Fernverkehrszüge der Aktienkurs wohl eine ähnliche Entwicklung wie bei der Telekom genommen hätte.

Nun wurde der Börsengang abgesagt, aber die grundsätzliche Zielsetzung der DB AG nicht geändert. Dabei ist es durchaus interessant zu sehen, dass sämtliche Worst-Case-Szenarien, die rund um die Debatte um diesen Börsengang diskutiert worden sind, tatsächlich Realität wurden – und zwar auch bei einer bundeseigenen Aktiengesellschaft. Die Trassenpreise steigen exorbitant und zwar so hoch, dass schon in naher Zukunft höhere Regionalisierungsgelder nur noch zur Deckung höherer Kosten genutzt werden können. Die einzige Chance, die hier noch besteht, wäre im Rahmen des diskutierten Eisenbahnregulierungsgesetzes eine Kostenbremse einzuführen.

Auch im Fernverkehr ist ein ernsthaftes Konzept zwar vorgestellt, aber es ist erkennbar, dass das Ziel ein anderes ist: Möglichst viele Regionalisierungsgelder für den SPFV abgreifen und sich einen neuen Direktvergabemarkt schaffen, jetzt wo der bisherige mit dem Abellio-Urteil ausgetrocknet ist. Und wenn man sich die Frage nach Eisenbahnpolitik stellt, dann muss sich auch grundsätzlich fragen, wer welche Zuständigkeit haben muss. Dass die Vertreter der Deutschen Bahn die Interessen ihres Unternehmens vertreten ist doch wohl selbstverständlich.

Denn mit der Struktur der neuen Eisenbahn sind nun die Aufgabenträger die Stellen, die einen Gemeinnützigkeitsanspruch haben, nicht mehr die Betreiber von Infrastruktur oder Verkehrsleistungen. Entsprechend müssen diese auch mit Kompetenzen ausgestattet werden: Etwa den Netzunternehmen gegenüber. Außerdem braucht es auch im Fernverkehr eine Aufgabenträgerschaft – die möglicherweise eigenwirtschaftliche Leistungen mit anerkennt, aber die Rosinenpickerei verhindert.

Auf jeden Fall kann es nicht sein, dass sich Eisenbahnpolitik in Deutschland über die Unternehmenspolitik der DB AG definiert. Natürlich ist es schwer, hier ausgearbeitete Konzepte vorzulegen, aber der Status Quo ist jedenfalls nicht das ursprüngliche Ziel der Eisenbahnreform: Die Schiene nach Jahrzehnten der Autofixierung wieder zu einem ernsthaften Verkehrsträger zu machen.

Siehe auch: Bahn: Erneut Gewinneinbruch angekündigt

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