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Verkehrswende zur Weltklimakonferenz gefordert

03.12.15 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Anlässlich der Weltklimakonferenz in Paris hat sich die deutsche und europäische ÖV-Branche erneut für eine umfassende Verkehrswende ausgesprochen. Dazu brauche es vor allem eine andere Verkehrspolitik, die die Schiene und den öffentlichen Verkehr fördert. Die Bahnindustrieverbände Frankreichs FIF, Russlands OPZT und Deutschlands VDB appellieren erstmals in einer gemeinsamen Erklärung an die Politik. Darin stellen sie fest, dass das Zwei-Grad-Ziel nur mit einer Entwicklung des Schienenverkehrs erreicht werden könne. Sie fordern deshalb eine Verlagerung von Personen- und Güterströme auf diesen Verkehrsträger.

Die Produktion von Bahntechnik wollen die drei Industrieverbände weiter klimafreundlich umbauen. In einer Erklärung heißt es: „Die Hersteller von Bahntechnik sind sich darüber im Klaren, dass Klimaveränderungen und ihre negativen Auswirkungen eine globale Sorge darstellen. Sie sind sich bewusst, dass das international festgelegte Ziel der Begrenzung des durchschnittlichen Temperaturanstieges auf unserer Erde auf höchsten zwei Grad Celsius ohne die Entwicklung des umweltfreundlichen und nachhaltigen Eisenbahnverkehrs nicht erreicht werden kann.“ Ziel ist es, den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß bei den Herstellungsprozessen von Bahntechnik weiter zu reduzieren. Dadurch unterstützen die Hersteller die Umsetzung des „Programms zur Reduzierung der kohlenstoffhaltigen Emissionen im Eisenbahnverkehr“ der UIC und die globalen Ziel-Werte der UIC in der Zeit von 2030 bis 2050, die auf dem Klimaschutzgipfel 2014 in Lima vereinbart wurden.

Weiterhin wurde angekündigt, die Umwelt- und Klima-freundlichkeit der hergestellten Bahntechnik ständig weiter zu erhöhen und den Papier- und Kunststoffverbrauch (Polyethylen) soweit wie möglich zu reduzieren. Dabei hat die Bahn bereits vor der Veranstaltung eine entscheidende, wenn auch symbolische Rolle gespielt. Zwölf Hochgeschwindigkeitszüge, die aus Peking, Ulan Bator, Moskau, London, Berlin und anderen Großstädten in die französische Hauptstadt starten und ranghohe Politiker, Würdenträger und Umweltaktivisten klimaschonend zur Konferenz bringen, setzten ein demonstratives Zeichen.

Der öffentliche Verkehr auf der Schiene sei Teil der Lösung – nicht das Auto. „Weltweit könnte sich der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß bis 2050 noch einmal verdoppeln, aber auch die deutschen CO2-Werte sehen nicht gut aus“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene am Samstag im ICE von Berlin nach Paris: „Alle Sektoren – die Industrie, die privaten Haushalte, die Energieerzeuger – konnten seit 1990 ihre Klima-schädlichen Emissionen senken. Nur der deutsche Verkehrssektor hat seitdem keinen Schritt voran getan: Seine Rolle als Klimasorgenkind ist seit 25 Jahren in Asphalt gegossen.“ Er warnte die deutsche Politik davor, sich in Paris hinter der globalen Komplexität zu verstecken.

„Beim Thema Verkehr muss jedes Land seine Hausaufgaben machen. Mit der Elektromobilität auf der Schiene gibt es bereits einen wichtigen Baustein für die Verkehrswende. Jetzt muss die Politik nur noch einsteigen, indem sie endlich die Bahnen von den inzwischen fast untragbaren Steuerlasten befreit.“ Für ein Kirchen-Podium zur neuen Umweltpolitik des Papstes hatte die Allianz pro Schiene den Erzbischof von Berlin eingeladen: Heiner Koch bestieg als eine Art „Klimabotschafter des Papstes“ den ICE nach Paris und diskutierte mit Vertretern von Bahnhofsmission, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken und Misereor über Klimagerechtigkeit, die soziale Dimension des Umweltschutzes und persönliche Gewissensfragen bei der Wahl des Verkehrsmittels. An Franziskus als Vorbild reiche er nicht heran, sagte Erzbischof Koch.

„Der Papst aus Argentinien hinterfragt unseren Lebensstil. Das gilt auch für uns Bischöfe und dafür bin ich ihm dankbar.“ Misereor-Vorstand Pirmin Spiegel erinnerte an eine verkehrspolitische Formel aus Südamerika: „Ein entwickeltes Land zeichnet sich nicht dadurch aus, dass die Armen Auto fahren, sondern dass die Reichen den öffentlichen Verkehr benutzen.“ Danach sei Deutschland beim Verkehr ein Entwicklungsland. Der Papst hatte in diesem Sommer mit der Lehrschrift „Laudato si“ die globalen Umweltprobleme systematisch in den Blick genommen und zur Rettung der Schöpfung einen Vorrang des öffentlichen Verkehrs gefordert. Und angesichts der Investitionen, die in südamerikanischen Megastädten in die ÖV-Systeme getätigt werden, ist dies auch für Europa ein beeindruckender Benchmark.

Siehe auch: Verkehrswende in den Köpfen

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