Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Die praktischen Folgen des Abellio-Urteils

19.11.15 (Baden-Württemberg, Kommentar, Stuttgart) Autor:Stefan Hennigfeld

Unmittelbar nach dem Abellio-Urteil hieß es überall und allerorten (und auch von Leuten, die eigentlich kein Interesse daran hätten haben sollen), dass das Gesetz wieder geändert werden müsse. Eine Begründung war ein vermeintlicher „Erstellermangel“. Der Markt sei für seine Akteure einfach zu groß. Die Lösung müsse sein, bundesweit eine hohe Zahl an Direktvergaben und langfristigen Vertragsverlängerungen zugunsten von DB Regio durchzuführen und nur noch einen Teil wettbewerblich zu vergeben. Man stehe insgesamt in einer Konsolidierungsphase, Unternehmen werden rausgekauft und verschwinden. Insgesamt drohe eine Situation, bei der sich nicht mehr der Aufgabenträger den Betreiber aussuchen könne, sondern der Betreiber den Aufgabenträger, bei dem er sich bewirbt.

Heute, mit ein paar Jahren Abstand, zeigt sich ein anderes Bild. Mit Go-Ahead ist nach National Express nun der zweite internationale Akteur seit dem Abellio-Urteil in den deutschen Eisenbahnmarkt eingetreten. Das liegt nicht daran, dass diese Unternehmen Deutschland auf dem Globus erstmals entdeckt haben, sondern hat mit den neuen Rahmenbedingungen zu tun. Wettbewerbliche Vergaben sind nun kein Gnadenakt des Aufgabenträgers mehr, sondern es gibt definierte und einklagbare Rechte. Und ja, es hat natürlich auch was mit der Frage zu tun, wie man ausschreibt. Bei einer als Ausschreibung getarnten Direktvergabe, bei der der Wunschbieter (warum auch immer) so bevorteilt ist, dass andere keine ernsthaften Chancen haben, nehmen auch keine anderen Teil. Die Wettbewerbsbahnen sind nicht dazu da, um den Preis für den vom Besteller gewünschten Betreiber zu senken.

Alle praktischen Erfahrungen zeigen, dass die Fälle, in denen ernsthafte Ausschreibungen gemacht wurden, erfolgreich waren. Im VRR etwa hat man sich noch nie über zu wenige Bieter beklagt und wenn die Vergaben in Baden-Württemberg nun ähnlich strukturiert werden, hat man dort ausreichend Bieter. Erstaunlich ist auch, dass selbst DB Regio offensichtlich in der Lage war, einen extrem wirtschaftlichen Preis aufzurufen. Auch wenn das Angebot dann aus formalen Gründen ausgeschlossen werden musste. DB Regio behält sich rechtliche Schritte derzeit vor. Aber das gehört zum Rechtsstaat dazu: Das Recht unterlegener Bieter, die Entscheidung vor der Vergabekammer oder im nächsten Schritt dem Oberlandesgericht anzufechten. Dann wird man sehen, inwieweit die getroffene Entscheidung rechtmäßig war. Hier gilt im Moment einfach abwarten.

Wenn man bedenkt, dass es Neufahrzeuge gibt und sich der Zuschussbedarf dennoch, wie der Landesverkehrsminister sagt, halbiert, dann lässt das Rückschlüsse darauf zu, wie lukrativ der bisherige Verkehrsvertrag gewesen sein muss. Da wird größtenteils mit Silberlingen aus Bundesbahn-Beständen gefahren (die sich kein anderer Aufgabenträger in Deutschland mehr andrehen lassen würde) und trotzdem werden im Vergleich zum neuen Preis exorbitante Zuschüsse fällig. Dass das jetzt möglich ist, hat mit den Restrukturierungserfolgen des Konzerns zu tun und zeigt, dass marktwirtschaftliche Eisenbahnpolitik allen Akteuren zugute kommt.

Siehe auch: Abellio und Go-Ahead gewinnen Stuttgarter Netze

Kommentare sind geschlossen.