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BaWü: Abellio und Go-Ahead gewinnen Stuttgarter Netze

19.11.15 (Baden-Württemberg, Stuttgart) Autor:Stefan Hennigfeld

Wie das baden-württembergische Verkehrsministerium in dieser Woche bekannt gab, sollen Abellio und Go-Ahead den Zuschlag für den Betrieb der Stuttgarter Netze erhalten. Diese wurden in drei Losen vergeben, wobei jeweils ein Bieter maximal zwei dieser Lose betreiben kann. Zur Förderung des Wettbewerbs gab es eine Loslimitierung bei der Vergabe. Das größte der drei Einzellose geht an Abellio, die beiden kleineren an Go-Ahead. Das britische Unternehmen ist erstmals überhaupt im deutschen Eisenbahnmarkt aktiv. Mit Go-Ahead und National Express sind seit dem Abellio-Urteil im Februar 2011 damit schon zwei international agierende Verkehrskonzerne in den deutschen Eisenbahnmarkt eingestiegen.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sprach von einem „sensationell“ guten Ergebnis. „Die hervorragenden Ergebnisse des Vergabeverfahrens können sich wirklich sehen lassen. Mit den vorliegenden Angeboten werden unsere ökonomischen Erwartungen voll erfüllt.“ Der Zuschussbedarf soll sich, trotz der Anschaffung neuer Züge, im Vergleich zum alten Verkehrsvertrag halbieren. Hermann: „Damit erreichen wir eine deutliche Senkung der Kosten, die es uns ermöglicht, trotz des knappen Budgets die Leistungen und das Angebot für die Fahrgäste spürbar auszuweiten, zum Beispiel mit Stunden- und Halbstundentakten je nach Auslastung der Strecke.“

DB Regio ist vom Verfahren ausgeschlossen worden, da das Angebot gegen eine Bedingung der Ausschreibung verstoßen hat. Der Zuschussbedarf im ersten Betriebsjahr darf maximal zehn Prozent über dem der Folgejahre liegen. Bei DB Regio lag dieser Wert bei 11,5 Prozent. Somit konnte deren Angebot nicht berücksichtigt werden. Wie die Regionalleitung in Stuttgart gestern bekannt gab, kann man die Entscheidung nicht nachvollziehen. Juristen prüfen derzeit, ob man den Gang vor die Vergabekammer für erfolgversprechend hält. Eine Beschwerde müsste während der zehntägigen Einspruchsfrist eingelegt werden.

Doch auch DB Regio hätte die stark veralteten Silberlinge aus den Beständen der alten Bundesbahn durch modernes Rollmaterial ersetzt und der gebotene Preis lag signifikant unter dem aktuell gezahlten Zuschuss. Die Düsseldorfer Kanzlei Heuking, die das Verfahren juristisch begleitet hat, gibt die Einsparung mit insgesamt 227 Millionen Euro an. Geld, das künftig zur qualitativen und quantitativen Verbesserung des Gesamtangebotes zur Verfügung steht.

Abellio wird dabei 43 neue Fahrzeuge einsetzen und das erste Los ab Juni 2019 aufnehmen. Es besteht aus 6,8 Millionen Zugkilometern im Jahr. Abellio-Chef Stephan Krenz: „Mit der Übernahme des größten Loses im Stuttgarter Netz wird Abellio seine Visitenkarte in einer der einkommensstärksten und wirtschaftlich bedeutendsten Städte Deutschlands und Europas abgeben. Wir werden auch hier unter Beweis stellen, wie Millionen Fahrgäste professionell, sicher und mit hohem Komfort ihr Ziel erreichen. Ich freue mich sehr, dass Abellio neben den bisherigen Schwerpunkten in Nordrhein-Westfalen und Mitteldeutschland nun auch erfolgreich in den Südwesten Deutschlands expandiert.“

Zufrieden zeigt sich auch sein Kollege Roman Müller, der im Unternehmen für Markt und Strategie verantwortlich ist: „Bisher ist es Abellio immer wieder gelungen, sich als Qualitätsführer mit den Schwerpunkten Pünktlichkeit, Kundenzufriedenheit und Fahrgastinformationen im Wettbewerb zu positionieren. Diese hohe Messlatte werden wir auch im achten Bundesland, in dem Abellio als Dienstleister antritt, an unsere Performance anlegen. Die Fahrgäste in Baden-Württemberg dürfen sich auf eine deutliche Qualitätssteigerung im Nahverkehr freuen.“

Derweil hat man sich beim VCD in Baden-Württemberg verstärkt mit dem gesunkenen Zuschussbedarf beschäftigt. Gerade im alten Vertrag, der 2003 in Kraft getreten ist, liegt nach Lesart des Verbandes eine Überkompensation vor, die nun zurückgeholt werden müsse. Dass dieser Vertrag, den noch die schwarz-gelbe Vorgängerregierung abgeschlossen hat, für das Land von Nachteil sei, zeige die jetzige Vergabe.

Matthias Lieb, Landesvorsitzender in Baden-Württemberg: Trotz der Freude über die heutige Ersparnis, der erneut den positiven Effekt eines funktionierenden Wettbewerbs auch bei Vergabeverfahren im Schienenverkehr untermauert, muss das Land die Rückholung dieser zu viel bezahlten Summe von der DB weiter betreiben.“ Das anhängige Verfahren wegen eines Verdachtes auf Überkompensation ist unabhängig von der jetzigen Vergabe.

Siehe auch: Die praktischen Folgen des Abellio-Urteils

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