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Es muss sich was tun

09.11.15 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn man einigen Vertretern der ÖV-Branche beim Reden zuhört, dann meint man, es sei alles supertoll und mit Ausnahme himmelschreiender Untersubventionierung gäbe es keinerlei Probleme. Klar, wenn man so Leuten dann Geschichten aus dem Alltag erzählt, etwa die fünfzigminütige Wartezeit nach 20 Uhr am Bahnhof auf den Bus, schlechte Koordination an den Stadtgrenzen oder vieles mehr, dann stimmen immer alle zu.

Aber seit Jahren bleibt eine Reaktion auf Probleme, die erkennbar mit Mentalitäts- statt Finanzierungsproblemen zu tun haben, wenn der ÖPNV aufgrund fehlender Kundenorientierung schlecht ist, aus. Letztlich interessiert es schlicht niemanden. Dabei zeigt ein Blick auf den Modal Split klar und deutlich, dass Eisenbahn und ÖPNV in Deutschland nur Randprodukte sind. Das ist auch der Grund, wieso der VDV auf Nachfrage regelmäßig sagt, man interessiere sich nicht für den Modal Split, hier sei ausschließlich das Statistische Bundesamt zuständig: Dieser zeigt nämlich, dass es in den letzten Jahren zwar gelungen ist, bundesweit im Durchschnitt das insgesamt steigende Verkehrsaufkommen auch im ÖV-System mitzunehmen, mehr aber auch nicht.

Von einer ernsthaften Verkehrswende kann bei seriöser Betrachtung keine Rede sein. Okay, Verkehrspolitiker, die ihre Posten über Partei- und Regionalproporz erhalten haben, die kann man mit manipulativ begründeten Pseudo-Erfolgen zufriedenstellen, dabei bleibt es dann aber auch. Wobei die Realität doch inzwischen längst eine andere ist: Die in absoluten Zahlen steigenden Nutzerwerte (zahlende Kunden gelten als Nutzer, nicht mehr jedoch als Beförderungsfälle) sorgen für Probleme. Denn auf einmal bringen sie nicht mehr nur zusätzliches Geld rein, sondern überfüllen auch die Fahrzeuge. Es bräuchte Leistungsausweitungen, dafür wäre auch eine größer bemessene Infrastruktur zuständig. Und genau das würde ja wieder Geld kosten.

Dabei hat man im öffentlichen Verkehr hier das gleiche Problem wie im Individualverkehr. Die Infrastruktur, die im Wesentlichen seit den 1980er Jahren nicht mehr großartig ausgebaut worden ist, mag ja damals gereicht haben, heute ist das zu wenig. Letzte Woche ging durch die Nachrichten, dass allein in Nordrhein-Westfalen zum Berufsverkehr regelmäßig mehrere hundert Kilometer Stau auf den Autobahnen sind. Auch der Regionalverkehr ist heillos überfüllt und die Betriebsstabilität ist, gerade im Ruhrgebiet oder auf der Rheinachse, oft sehr fragil. Aber auf der anderen Seite nehmen viele Menschen oft weite Wege zur Arbeit in Kauf.

Zentrale Wohnungen sind teuer, selbst die Randlage ist oft kaum noch bezahlbar, also werden die Arbeitswege länger. Kein Wunder: Aufgrund wuchernder Bürokratie lohnt sich die Schaffung neuer Wohnflächen nur noch im Luxussegment. Es muss aber Druck aus dem Wohnungsmarkt genommen werden – mit einer umfassenden bundesweiten Bauaktion, aber auch mit angemessener Verkehrsinfrastruktur, um das Leben z.B. in der Eifel oder im Siegtal für Einpendler in die Boomstädte Köln und Bonn zu vereinfachen. Es muss sich insgesamt etwas tun, auf vielen verschiedenen Ebenen. Allein mir fehlt der Glaube.

Siehe auch: VCD fordert besseren ÖV-Zugang

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