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VCD fordert besseren ÖV-Zugang

09.11.15 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Verkehrsclub Deutschland hat sich mit der Nutzbarkeit und objektiven Zugangshindernissen zum ÖPNV auseinandergesetzt. Der Verband vertritt dabei die Ansicht, dass gute Angebote und faire Preise nicht ausreichen. Der Zugang muss intuitiv und einfach erfolgen. Hierbei spricht man von weichen Faktoren, die sich nicht über die Zahl von Fahrzeug- oder Sitzplatzkilometern, Preisen oder ähnliches errechnen lassen. Deren Bedeutung wurde in sechs verschiedenen Regionen untersucht.

Im Fokus der Tests in den Großstädten Köln und Hannover, den Mittelstädten Bamberg und Lutherstadt Wittenberg sowie in den beiden Landkreisen Meißen (Sachsen) und Vogelsbergkreis (Hessen), standen Angebot und Qualität von Informationen, Erscheinungsbild von Halte- und Verkaufsstellen, Bedienungsfreundlichkeit, Barrierefreiheit sowie die Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln des Umweltverbundes. Barrierefreiheit im ÖPNV ist in einigen Jahren Pflicht, ob sie allerdings überall eingehalten wird, ist fraglich.

Die Essener Verkehrs AG hat beispielsweise schon vor längerer Zeit im offiziellen Facebook-Konto kokettiert, dass man aufgrund selbst empfundener Untersubventionierung nicht in der Lage sei, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten und falls doch, dann mit massiver Verspätung. Doch von solchen Einzelfällen abgesehen hat der VCD sich mit klaren Vorgaben an den Sachverhalt angenähert. Ein zentrales Ergebnis ist: Die Informationen an Haltestellen und in den Fahrzeugen, sei es zu Tarifen, Linienverlauf oder Umsteigemöglichkeiten, ist nicht ausreichend.

Fast alle Untersuchungsgebiete bieten zwar per Internet und App gute bis sehr gute Vorab-Informationen an, doch an Haltestellen fehlen vielfach grundlegende Informationen, wie z.B. Liniennetz- und Umgebungspläne und in den Fahrzeugen Anzeigen oder Durchsagen. Es handelt sich also um Probleme, die sich mit relativ geringem finanziellen Aufwand lösen ließen. Gregor Kolbe, VCD-Projektleiter des ÖPNV-Zugänglichkeitscheck: „Gute und umfangreiche Informationen vor und während der Fahrt sind elementar für den ÖPNV. Sie dürfen nicht einfach auf dem Weg zur Haltestelle enden. Insbesondere Fahrgäste, die den Nahverkehr eher selten nutzen, stehen immer wieder vor bekannten Problemen. Was ist das richtige Ticket für mich, wo muss ich umsteigen? Sehen sich diese Fahrgäste mehrfach mit schwer lösbaren Problemen konfrontiert, wenden sie sich vom ÖPNV ab.“

Ein zweites großes Defizit zeigt sich bei der Verknüpfung vorhandener Verkehrsmittel. Ob fehlende Fahrradständer an Haltestellen, mangelhafte Informationen zur Radmitnahme im ÖPNV oder den Umstiegsmöglichkeiten zu Carsharing-Anbietern – Angebote fehlen. Bussterne im Stadtverkehr werden ohne Rücksicht auf den SPNV am Hauptbahnhof geplant, die Anreise – ob mit dem eigenen Auto oder dem kommunalen ÖPNV – ist oft schlecht. Diese und andere Situationen sind Probleme, die nicht primär auf fehlende öffentliche Zuschüsse zurückzuführen sind.

Michael Ziesak, Bundesvorsitzender des VCD: „Die Verkehrsträger sollten sich nicht mehr als Konkurrenz sehen, sondern vielmehr ergänzen. Denn ist ein flexibler und einfacher Wechsel zwischen den Verkehrsmitteln möglich, steigt die Attraktivität des ganzen Umweltverbundes. Kommunen, Verkehrsunternehmen und Anbieter von Sharing-Systemen müssen in diesem Punkt stärker miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten. Hier steckt viel Potential drin, Verbraucher langfristig als Kunden gewinnen zu können.“

Neben den gemeinsamen Schwächen bei der Fahrgastinformation und der Verkehrsmittelverknüpfung gibt es auch Stärken. So überzeugt das Erscheinungsbild des ÖPNV in Köln, Hannover, Meißen und im Vogelsbergkreis. Positiv hervorzuheben ist zudem die Barrierefreiheit des Nahverkehrs in Köln und Hannover. Der vom VCD entwickelte ÖPNV-Zugänglichkeitscheck basiert auf objektiven und somit reproduzierbaren Prüfkriterien, wie dem Vorhandensein gültiger Fahrpläne an Haltestellen, hörbaren Durchsagen zum nächstmöglichen Aus- und Umstieg oder dem Angebot einer Online-Verbindungsauskunft für barrierefreies Reisen.

Eine rein subjektive Einschätzung und somit schlechte Vergleichbarkeit wurde so verhindert. Und doch sind es in vielen Fällen die persönlichen Empfindungen der potentiellen Fahrgäste, die dafür sorgen, dass man sich für das Auto oder den ÖPNV entscheidet. Gerade junge Leute sind oft multimodal unterwegs, zumindest in Metropolregionen. Vielleicht, weil sie die anrüchige Bundesbahn nicht mehr kennen.

Siehe auch: Es muss sich was tun

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