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Keine Extrawurst!

29.10.15 (Baden-Württemberg, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Man kann sich lang und breit darüber unterhalten, ob die Zulassung nach zwei gesetzlichen Normen für das Karlsruher Modell zu weit geht oder ob es für Kombimodelle wie in Karlsruhe, Kassel oder Chemnitz nicht vereinfachte Regelungen geben könnte. Das ist unter Beachtung aller Sicherheitsvorschriften eine Idee, die man sicherlich nicht per se ablehnen sollte. Viel wichtiger ist aber der politische Punkt, über den die Karlsruher Delegation bei der EU gesprochen hat.

Selbstverständlich rechtfertigt eine Kombination aus Tram- und Eisenbahn keine vergaberechtliche Extrawurst. Es sind immer wieder Fälle wie dieser, die herangezogen werden, um eine Gesetzesänderung hin zu mehr Marktabschottung zu verlangen. Aber wieso sollte ein anderes Unternehmen nicht in der Lage sein, die Stadtbahn rund um Karlsruhe zu fahren? Weil es bei Tramnetzen keinen freien Netzzugang gibt? Ist nicht gerade das ein Problem, dass die Straßenbahn nicht genauso reguliert ist wie die Eisenbahn? Es kann doch kein zukunftsfähiges Modell sein, wenn ein Schienennetz, sobald es nach BOStrab zugelassen ist, eine dogmatische Unteilbarkeit zwischen Netz und Betrieb mit sich bringt, wie es sie bei der alten – zurecht abgeschafften – Bundesbahn gab.

All die Erfolge, die die marktwirtschaftlich orientierte Eisenbahnpolitik gebracht hat, stehen auch der kommunalen Schiene offen. Und ja, selbstverständlich kann man die Leistungen im Tramwesen ausschreiben. Die Nutzung einer vorhandenen Werkstatt kann vorgegeben werden, es können Vereinbarungen mit Herstellern getroffen werden und vieles mehr. Das VRR-Lebenszyklusmodell eignet sich hervorragend für die kommunale Schiene: Eine zentrale Werkstatt hält die Fahrzeuge instand und bei großen Tramnetzen können mehrere Betreiber die Flotte gemeinsam nutzen. Qualität und Leistung lassen sich durch wirksame Pönalesysteme sicherstellen.

Bei aller Sinnhaftigkeit des Karlsruher Modells, was passiert denn, wenn dort auf einmal Schlechtleistungen auftreten, wenn die Züge verschmutzt, verspätet oder sonst was sind? Die Annahme, dass dies völlig unmöglich sei, solange der Betreiber im Eigentum der öffentlichen Hand steht, mag vielleicht von einer grotesken deutschen Staatsgläubigkeit zeugen, hat aber mit der Realität nichts zu tun, wie die zum Teil unverschämten Schlechtleistungen vieler Stadtwerke und anderer kommunaler Verkehrsbetriebe immer wieder zeigen. Nein, eine saubere Trennung von Be- und Ersteller, die verhindert, dass über gemeinsame Besitzverhältnisse Interessenkonflikte auftreten, sichert eine funktionierende Aufgabenträgerschaft ab.

Das gilt auch in Karlsruhe, wo man im Moment ein Unternehmen hat, das um seine Pfründe kämpft. Dabei gibt es ja Möglichkeiten zum Schutz kommunaler Verkehrsunternehmen, man kann eine Inhousevergabe durchführen. Hierfür sind allerdings bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen und wenn die in Karlsruhe, aus welchen Gründen auch immer, nicht vorliegen sollten, dann muss man sich anders orientieren. Die gesetzliche Grundlage soll ja gerade dafür sorgen, dass mit der Inhousevergabe kein Schindluder getrieben wird.

Siehe auch: Karlsruher Modell wird in Brüssel diskutiert

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