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Karlsruher Modell wird in Brüssel diskutiert

29.10.15 (Baden-Württemberg) Autor:Stefan Hennigfeld

Unabhängig von der technischen Seite kennt der nationale und europäische Gesetzgeber nur entweder Eisenbahnen oder Straßenbahnen. Andere Bauformen oder Mischobjekte sind juristisch nicht vorgesehen. So ist etwa die Wuppertaler Schwebebahn de jure eine Straßenbahn, wenn auch aufgrund technischer Spezifikationen eine „besondere Bauart“ vorliegt. U-Bahnnetze gelten als Straßenbahn, während das komplett vom übrigen Schienenverkehr unabhängige Berliner S-Bahnnetz als Eisenbahn gilt.

Das Karlsruher Modell, das eine Kombination aus SPNV und klassischer Trambahn ist, kommt in diesen Überlegungen nicht vor, weswegen die Züge sowohl BOStrab- als auch EBO-Zulassungen haben müssen. Alexander Pischon und Ascan Egerer von der VBK haben nun in Brüssel Gespräche mit Rechts- und Verkehrsexperten der EU-Kommission sowie des EU-Parlaments geführt. Dabei ging es schwerpunktmäßig um das Karlsruher Modell. Zu der Delegation aus Karlsruhe gehörte auch Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD), Prokurist Wolfgang Weiß, Christofer Lenz und der Politikberater Joachim Baldermann.

Die Gespräche dienten vor allem dazu, sich mit hochrangigen Rechts- und Verkehrsexperten der Europäischen Union (EU) über die Errungenschaft des Karlsruher Modells und dessen Erhalt für die kommenden Jahrzehnte auszutauschen. Hierbei wurde den EU-Experten unter anderem mit auf den Weg gegeben, dass es sich bei dem Modell einer Stadt-Umland-Bahn mit ihrer Zwei-System-Technik in vielerlei Hinsicht um ein Erfolgsmodell handelt. Das Karlsruher Modell habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten europaweit viele Nachahmer gefunden, die sich an der Pionierarbeit aus der Fächerstadt orientieren, so die VBK.

Die Karlsruher Delegation hob im Rahmen der Gespräche hervor, dass die EU das Karlsruher Modell in seiner bestehenden Form auch in Zukunft weiter kontinuierlich fördern und sich für dessen Erhalt stark machen sollte. Dies beinhaltet unter anderem, dass die VBK und die AVG als Betreiberkonsortium weiterhin so eng wie bisher zusammenarbeiten sollten. Die Gespräche wurden von Seiten des Verkehrsministeriums begleitet. Die Unternehmen kämpfen seit Jahren um ihre Direktvergaben und wollen eine Ausschreibung der Leistungen vermeiden. Pischon und Egerer regten auf der technischen Seite zudem an, dass die EU bei der Weiterentwicklung ihres europäischen Rechtsrahmens das Modell des TramTrain-Systems als drittes Mobilitätssystem neben der Eisenbahn und der Straßenbahn ausdrücklich berücksichtigt werden sollte.

Laut der Geschäftsleitung sei es im Sinne der EU, funktionale Mobilitätsräume auch in Zukunft durch einen besonderen Rechtsrahmen zu fördern. Von Seiten der EU-Rechtsexperten habe man zu diesem Themenkomplex sehr positive Rückmeldungen erhalten, so das Fazit der Geschäftsführer. Auf der Basis dieses guten Austauschs könne man nun in die kommenden Gespräche mit dem Land und den Aufgabenträgern gehen. Das positive Feedback aus Brüssel sei hierbei sehr nützlich – auch für langfristige Gespräche über das Jahr 2022 hinaus.

„Das Karlsruher Modell ist bei den EU-Parlamentariern außerordentlich präsent und wird international beachtet“, so Oberbürgermeister Frank Mentrup. Dies sei etwa bei dem SPD-Verkehrsexperten Ismail Ertug sowie bei dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses Michael Cramer (Grüne) der Fall. Auch bei den Verantwortlichen in den Generaldirektionen der Kommission Jan Scherp und Eva Lieber traf die Delegation laut Mentrup auf Offenheit. Das Karlsruher Modell biete viele Vorteile: So handelt es sich unter anderem bei der umsteigefreien Verbindung von Stadt und Region für die Nutzer um ein sehr attraktives und komfortables Angebot. Durch das Modell ist es auch möglich, für verhältnismäßig kleine Orte einen wirtschaftlich vertretbaren Schienenverkehr anzubieten und somit das Verkehrsmittel Bahn weiter attraktiv zu gestalten.

Dazu gehört auch ein moderner Fuhrpark. Vor einem Jahr wurde das erste Fahrzeug vom Typ NET 2012 in Betrieb genommen. Durch die neuen Niederflurfahrzeuge ist für die Fahrgäste an den innerstädtischen Bahnsteigen ein barrierefreier Zugang gewährleistet. Der NET 2012 wurde passgenau für die 34 Zentimeter hohen Bahnsteige in der Innenstadt konzipiert. Jene Bahnsteige, die diese Höhe derzeit noch nicht aufweisen, werden von den VBK sukzessive umgebaut. Doch durch die neuen Fahrzeuge kann die Barrierefreiheit künftig nicht nur in Karlsruhe, sondern auch in der Region sichergestellt gestellt werden.

Siehe auch: Keine Extrawurst!

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