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Die Schattenseite der Personalübernahme

22.10.15 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es war vor ein paar Jahren eine lange und harte Auseinandersetzung zwischen den NE-Bahnen und den Gewerkschaften, als es um Branchentarifverträge und Personalübernahme ging. Die Gewerkschaften haben ihre Forderungen zwar größtenteils durchsetzen können, haben jedoch in einem entscheidenden Punkt einige wesentliche Zugeständnisse gemacht: Die Betriebsaufnahme mit Bestandspersonal durch den neuen Betreiber hat ebenso Vorrang wie der Verbleib der Beschäftigten beim bisherigen Arbeitgeber.

Denn ein Angestelltenverhältnis definiert sich ja gerade nicht über einzelne Aufträge, sondern über deutlich mehr. Und wenn mal ein Auftrag verloren und ein anderer dafür gewonnen wird, dann heißt das noch nicht zwangsläufig, dass die eigenen Mitarbeiter, die oft seit Jahren im Betrieb sind, ausgetauscht werden sollen. Die Regelungen zur Personalübernahme greifen daher zurecht überhaupt erst dann, wenn der alte Betreiber Stellen ab- und der neue Betreiber Stellen aufbaut.

Die Mitarbeiter des alten Betreibers bleiben selbst dann außen vor, wenn der neue Betreiber seine Stellen intern besetzen kann. Andersrum muss der neue Betreiber sehen, wo er Leute herkriegt, wenn der alte Betreiber sein Personal intern woanders einsetzt. Diese Regelung würde komplett ad absurdum geführt, wenn es so käme, wie jetzt gefordert. Der Ordnungsrahmen im BGB zum Thema Betriebsübergang dient nämlich etwas ganz anderem: Wenn z.B. Müller-Rail morgen Schienen-Schultz aufkauft, dann haben die Mitarbeiter gewisse Ansprüche dem neuen Arbeitgeber gegenüber. Das ist auch im SPNV ein realistisches Szenario, wenn ein Unternehmen von einem Wettbewerber im laufenden Verkehrsvertrag übernommen wird.

Persönliche Besitzstandswahrungen gelten Kraft Gesetzes ein Jahr. Das heißt bei einer Anwendung im Falle eines Betreiberwechsels könnte der neue Betreiber die Mitarbeiter nach einem Jahr betriebsbedingt kündigen. Wenn DB Regio einem Ausschreibungsobjekt 500 Personen zuordnet und ein neuer Betreiber braucht nur 350, dann hieße das für die 150 Leute, die dann den Arbeitgeber wechseln würden (müssten?), dass sie nach einem Jahr in die Arbeitslosigkeit geschickt werden könnten. Nun weiß man hinter vorgehaltener Hand selbst bei der EVG, dass der Demographietarifvertrag zwar eine schöne Sache ist, aber letztlich das Ziel, DB Regio marktfähig aufzustellen, konterkariert.

Wenn Mitarbeiter zu anderen Betreibern abgeschoben würden, drohen Entlassungsszenarien. Es stellt sich daher ernsthaft die Frage, ob eine solche Regelung, wie sie hier gewünscht ist, wirklich den konkret betroffenen Eisenbahnern oder nicht doch DB Regio nutzt. Denn alle anderen Punkte, die bei Betriebsübernahmen üblich sind, fallen weg: Es gibt keine Übernahme der Betriebsmittel wie Fahrzeuge oder Werkstätten und auch sonst bleibt, mit Ausnahme des Personals, alles wie bisher. Dabei haben mehrere Netze, die zwischen Wettbewerbsbahnen gewechselt sind, durchaus gezeigt, was geht: Wenn Fahrzeuge, Werkstattkapazitäten und Beschäftigte die Firma wechseln, ist das was anderes als reine Personalschieberei.

Siehe auch: Kritik an Vergaberechtsnovelle

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