Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Kritik an Vergaberechtsnovelle

22.10.15 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Im Bundestag wurde letzte Woche ein Entwurf zur Vergaberechtsnovelle diskutiert, bei dem im SPNV eine Personalübernahme verpflichtend wäre. Die Regelungen nach §613a BGB, die eigentlich zur Anwendung kommen, wenn ein Unternehmen verkauft wird, sollen dann auch bei Betreiberwechseln im Regionalverkehr gelten. Damit hätten die Beschäftigten für ein Jahr volle Besitzstandswahrung. Das lehnen neben den vier großen NE-Bahnen auch der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr ab.

Abellio, Benex, Netinera und Transdev fürchten für den Fall, dass dies verpflichtend eingeführt wird, „das Ende des freien Wettbewerbs im SPNV und einen Rückfall in überholt geglaubte monopolistische Strukturen mit allen negativen Folgen.“ Es müsse den Unternehmen am Markt freistehen, ihr Personal selbst auszusuchen und nicht die zu übernehmen, die dem Netz vom Altbetreiber zugeordnet werden. Dies gelte nicht nur für die Personen selbst, sondern auch für deren Menge. Wenn der Altbetreiber, welcher in der Praxis meistens DB Regio sein dürfte, einem Netz wesentlich mehr Mitarbeiter zuordnet, als der neue Betreiber braucht, sei ein Wettbewerbselement zerstört.

Nur mit individuell ausgesuchtem Personal bestehe weiter die Möglichkeit, so die NE-Bahnen, „die Ausschreibungen mit flachen Hierarchien und effizienten Abläufen attraktiv für die Aufgabenträger der Länder und die Fahrgäste zu gestalten. Dies wäre mit dem neuen Gesetz nicht mehr möglich.“ In einer gemeinsamen Erklärung verweist man darauf, dass die Übernahme zwar gängige Praxis sei, aber tarifvertraglichen Regelungen unterliege. Insbesondere habe sowohl die Betriebsaufnahme mit Bestandspersonal als auch der Verbleib der Mitarbeiter beim Altarbeitgeber Vorrang. Darüber hinaus gibt es Branchentarifverträge, die für ein ausgeglichenes Lohnniveau in der Branche sorgen. Zumal zahlreiche NE-Bahnen bereits deutlich höhere Haustarifverträge haben als der Branchentarifvertrag es festlegt.

Dazu nennt man einige Zahlen: Der Anteil der Lohnkosten an der Gesamtkalkulation liegt bei 15 bis 18 Prozent. „Es ist stets ein Mix aus unterschiedlichen Anforderungen und Qualitätsstandards ausschlaggebend“. Das gelte umso mehr, da die DB AG in der Regel nicht bereit sei, Werkstätten und Fahrzeuge zu marktgerechten Preisen zu verkaufen, sondern nur das Personal abbauen will. Das sei nicht in der Lohnhöhe des einzelnen, sondern in der Masse, vor allem im Verwaltungsbereich, problematisch.

Ähnlich argumentiert auch VRR-Vorstandssprecher Martin Husmann. In einer Stellungnahme teilt er mit, dass DB Regio bei den spezifischen Lohnkosten bei den Ausschreibungen erfahrungsgemäß im unteren Mittelfeld liege und nicht, wie vom Unternehmen selbst immer wieder suggeriert, darunter leide, dass man als einziger im Markt auskömmliche Gehälter zahle. Allerdings ist das Thema Personalübernahme auch beim VRR thematisiert worden. Für den Fall, dass die gesetzliche Regelung kommt, wie diskutiert, wird man ein Startsicherungsmodell bei der Vergabe künftiger Netze einführen.

Husmann: „Die Bieter teilen uns ihre tatsächlichen Kostenkalkulationen im Personalsektor mit und im ersten Jahr würden wir die Differenz zu den Kosten der vom Altbetreiber dem Vergabeobjekt zugeordneten Personale tragen. Nach einem Jahr laufen die gesetzlichen Regelungen zur Besitzstandswahrung aus. Der neue Betreiber kann dann über Änderungskündigungen die Bezahlung nach dem eigenen Tarifvertrag oder bei übermäßig vielen Mitarbeitern auch mit betriebsbedingten Entlassungen auf sein kalkuliertes Niveau kommen.“ Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es im VRR noch nie ein Unternehmen gegeben hat, das SPNV-Leistungen gefahren ist, ohne einen gültigen Tarifvertrag mit einer anerkannten Gewerkschaften zu haben.

Vor dem Hintergrund der im Moment öffentlich diskutierten Restrukturierung bei DB Regio fürchtet Husmann, dass das Unternehmen künftig verstärkt versuchen könnte, nicht marktfähige Personalstrukturen auf andere Akteure abzuwälzen: „Das würde den Markt unattraktiver machen und dazu führen, dass sich die Zahl der Bieter verringert. Bei einem infolgedessen steigenden spezifischen Zuschussbedarf hieße das, dass weniger Leistungen bestellt werden könnten. Das wiederum würde die Grundlage für Arbeit und Beschäftigung im Eisenbahnwesen zum Nachteil der Angestellten verkleinern.“ Wie sich die Sache weiterentwickelt und wohin der Gesetzgeber am Ende tendiert, hängt auch von der jetzt anstehenden Entscheidungsphase ab.

Siehe auch: Die Schattenseite der Personalübernahme

Kommentare sind geschlossen.