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Debatte um Personalübergang

28.09.15 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

In der letzten Woche kam es zu einer offen ausgetragenen Meinungsverschiedenheit in der Frage um die Arbeitnehmerrechte bei Betreiberwechseln zwischen der BAG SPNV und der EVG. Die EVG fordert, gesetzlich festzuschreiben, dass die neuen Betreiber verpflichtet werden, sämtliche Mitarbeiter des alten Betreibers, die dieser nach eigenem Ermessen dem Ausschreibungsobjekt zuordnet, zu übernehmen. Diese Übernahme soll unter lebenslanger persönlicher Besitzstandswahrung auf Kosten und Risiken der neuen Betreiber erfolgen. Dieser soll kein Recht haben, Mitarbeiter abzulehnen, auch dann nicht, wenn in dessen Betriebsprogramm weniger Personen vorgesehen sind als dem Objekt vom alten Betreiber zugeordnet worden sind.

Insbesondere im Zusammenhang mit der S-Bahn Nürnberg kam das Thema wieder auf. Noch immer ist unklar, ob diese ab Dezember 2018 weiter von DB Regio oder von National Express betrieben wird. Die EVG fordert jedenfalls gesetzliche Regelungen. Vorstandsmitglied Reiner Bieck: „Die derzeitigen Beschäftigten der Nürnberger S-Bahn leben seit Monaten in Ungewissheit über ihre berufliche Zukunft. Sie haben eine klare Perspektive verdient.“ Dieser Darstellung widerspricht man bei der GDL. In einem aktuellen Aushang weist die Ortsgruppe Nürnberg darauf hin, dass National Express dem Betreiberwechseltarifvertrag beigetreten ist. Die Mitarbeiter haben im Rahmen der tariflichen Möglichkeiten das Recht, den Arbeitgeber zu wechseln und dabei ihre gesamte Berufserfahrung anerkennen zu lassen.

Inwieweit die Mitarbeiter davon aber Gebrauch machen wollen, ist unklar. Denn die Jobperspektiven gibt es auch innerhalb des DB-Konzerns, so dass auch ein Verbleib eine ernsthafte Option darstellt – wenn auch nicht mehr bei der S-Bahn Nürnberg. Die GDL ist Tarifpartner von National Express. Im Mitgliederaushang heißt es: „Im Falle eines Betreiberwechsels bei der S-Bahn Nürnberg, können GDL- Mitglieder ohne Nachteile bei ihrer Eingruppierung und mit Anerkennung ihrer Berufserfahrung für die Einstufung zum neuen Betreiber wechseln. Die GDL hat hierzu die Grundlagen geschaffen. National Express erkennt den Betreiberwechsel-Tarifvertrag an und hat im Konzern-Rahmen- und Haustarifvertrag, zusammen mit uns, faire Bedingungen zur Beschäftigung vereinbart. Im Haustarifvertrag finden sich schon heute Regelungen die über denen des Marktführers liegen.“ Die EVG fordert statt dessen die Aufhebung der Vergabe an National Express. DB Regio soll mit dem weiteren Betrieb der S-Bahn Nürnberg betraut werden. Eine solche Vergabe, so Bieck, „Würde die große Existenzunsicherheit für die Beschäftigten und ihre Familien beenden.“

Bei der BAG SPNV hat man den Forderungen der EVG eine klare Absage erteilt. Verbandsgeschäftsführer Frank Zerban: „Die Anordnung zur verpflichtenden Übernahme der Personale des Altbetreibers gefährdet den erfolgreichen Wettbewerb. Eine verpflichtende Übernahme durch das im Wettbewerb siegende EVU ist aus Sicht der BAG SPNV nicht notwendig. Wegen des großen Personalmangels bei Triebfahrzeugführern können diese sich heutzutage ihren Arbeitgeber quasi aussuchen. In manchen Regionen werben sich die Eisenbahnverkehrsunternehmen schon jetzt die Personale gegenseitig ab. In Verbindung mit Tariftreue- und Mindestlohngesetzen von Bund und Ländern kann von Lohndumping nicht gesprochen werden.“

Bereits heute kann auf Grundlage der VO-1370/2007 jeder Aufgabenträger – wenn er es auf Grundlage der vorherrschenden Rahmenbedingungen für angebracht hält – den Übergang von Personalen in seinen Ausschreibungen fordern. Grundsätzlich besteht hierbei jedoch die Gefahr, so die BAG SPNV, dass das abgebende Unternehmen nicht marktfähige Strukturen (z.B. hohe Overheadkosten durch Personalüberbestände in der Verwaltung) an den Neubetreiber weitergibt und dadurch eigene Restrukturierungskosten auf die Wettbewerber abwälzt. Dies könnte zu einer Verengung des Marktes durch das Ausscheiden anderer Anbieter führen.

Der SPNV müsste im Ergebnis teurer eingekauft werden. Darüber hinaus wäre die Anordnung einer verpflichtenden Personalübernahme kontraproduktiv: Die Aufgabenträger stellen im Interesse der Fahrgäste höchste Anforderungen an den künftigen Betreiber. Daher sollte das EVU, das den direkten Kontakt zum Kunden hat, die Möglichkeit haben, sein Personal selbst auszusuchen, um diesen Qualitätsanforderungen gerecht zu werden. Ansonsten drohe die Qualität des SPNV zu leiden.

Siehe auch: Die Grundlagen für Arbeit und Beschäftigung sichern

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