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Wettbewerbsbahnen warnen vor SPFV-Konzept

10.09.15 (Fernverkehr, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Im Zusammenhang mit dem neuen Fernverkehrskonzept der Deutschen Bahn haben sich die Abellio, Benex, Netinera und Transdev in einem gemeinsamen Brief an sämtliche 16 Landesverkehrsminister gewandt. Sie warnen vor einer massiven Marktverzerrung zugunsten der Deutschen Bahn und sehen darüber hinaus gefährliche politische Abhängigkeiten. Die neuen Angebote könnten sich als „trojanisches Pferd“ entpuppen, das auf Kosten der Regionalisierungsgelder umgesetzt würde.

So schreiben die Unternehmen: „Die DB AG versucht damit, das alte InterRegio-System, das sie bis 2006 stufenweise wegen zu hoher Unwirtschaftlichkeit einstellte, über den Weg der Quersubventionierung wiederzubeleben. Denn eigenwirtschaftlich ist dieses neue Fernverkehrsangebot, das eine Vervierfachung des üblichen Investitionsniveaus mit sich bringt, aus verschiedenen Kostengründen nicht finanzierbar. Dazu kommt, dass die massiv steigende Konkurrenz durch Fernbusse, Billigflieger und nicht zuletzt Mitfahr-Apps die Erlöse der neuen IC-Linien massiv beeinträchtigen werden. Damit ist dieses neue ´alte´ IC-Konzept mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht wirtschaftlich zu betreiben.“

Die Bahn hat vor diesem Hintergrund bereits über „Tarifintegrationen“ und Ähnliches gesprochen – ein Ausgleich soll dann über die Regionalisierungsgelder erfolgen. „Das ist vergabe- und wettbewerbsrechtlich hoch bedenklich und kannibalisiert heutige und künftige Verkehrsverträge“. Die europäische ÖV-Vergabeverordnung 1370/07 würde damit umgangen. „Der Fernverkehr der DB versucht, seine eigenwirtschaftlichen Verkehre ohne Wettbewerb im Wege intransparenter Verhandlungen mit öffentlichen Mitteln als gemeinwirtschaftlich koordinierte Verkehr zu kofinanzieren – zu Lasten eines fairen Wettbewerbs und zu Lasten der Regionalisierungsgelder der Bundesländer.“

In diesem Zusammenhang hat der damalige DB-Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg bei der Vorstellung des neuen InterCity-Konzeptes darauf hingewiesen, dass es sich lediglich um ein „Angebot“ handele, so dass die Einführung auch ohne „Tarifintegration“ möglich sei. Auch davor warnen die Wettbewerbsbahnen: „Die Länder begeben sich in eine Abhängigkeit: Entweder die Aufgabenträger zahlen im Namen der ´Tarifintegration´ und ´Vernetzung der Angebote´ für diese Fernverkehrslinien, oder das neue alte Angebot ließe sich wirtschaftlich nicht weiter aufrechterhalten, mit der Folge erneuter Verwerfungen im System Eisenbahn.“

In der Mitteldeutschen Zeitung wurde bereits vor einigen Tagen eine Unternehmenssprecherin der DB AG zitiert, die darauf hinwies, dass die Zahlung tariflicher Ausgleiche kein Bestellerentgelt sei und daher auch nicht dem Vergaberecht unterliege. Das sieht Rechtsanwältin Ute Jasper, Leiterin der Abteilung für Vergaberecht der Düsseldorfer Kanzlei Heuking, anders: „Wenn die Bundesländer und Aufgabenträger Fernverkehrsleistungen aus Regionalisierungsmitteln finanzieren sollten, wäre dies mit dem geltenden Vergaberecht und dem Beihilferecht grundsätzlich nicht zu vereinbaren.“ Das gelte auch unabhängig von der Frage, ob die Zahlung pro Fahrzeugkilometer oder pro Tarifkilometer erfolgen. Jasper: „Das europäische Recht gebietet, Zuschusszahlungen oder gar Entgelte für Verkehrsleistungen in einem fairen Wettbewerb zu vergeben. Direktzahlungen für den Fernverkehr sind generell rechtswidrig.“

Die Linie RE 16 von Abellio ist eine Ersatzleistung für den InterRegio, die zwischen Hagen und Siegen den Lauf des alten IR 22 nimmt. Der ordnungsgemäß ausgeschriebene Verkehrsvertrag endet im Dezember 2019. Just in diesem Moment soll laut den Unterlagen des DB-Konzerns dort eine neue InterCity-Linie starten – natürlich nur, auch wenn das verschwiegen wird, wenn der Aufgabenträger die RE-Leistungen nicht weiter bestellt. Ansonsten ist davon auszugehen, dass man bei der DB wegen „Kannibalisierungseffekten“ leider doch keinen InterCity einführen kann.

Die gleiche Linie soll von Hagen im Norden weiter bis Münster fahren und hätte dort erhebliche Auswirkungen auf die ab Dezember 2015 von National Express betriebene Linie RE 7. Das Unternehmen fährt dort aber im Nettovertrag, sodass ein im Nahverkehrstarif nutzbarer InterCity hier zu erheblichen Fahrgastabwanderungen führen würde. Diese Anwendungsbeispiele lassen sich auf nahezu jede neue SPFV-Linien anwenden, die die DB AG versprochen hat – auch deswegen bestehen die Wettbewerbsbahnen auf eine saubere Trennung von Nah- und Fernverkehr.

Siehe auch: Im Zweifel muss geklagt werden

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