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Von der Tram bis zur Light Rail

20.08.15 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Straßenbahn stellen wir uns immer als lustige Bim vor, die auf Schienen (Rillen in der Straße) im Autoverkehr mitschwimmt und so schön klingeln kann wie der Eiermann. Aber tatsächlich sind moderne Light-Rail-Systeme weit mehr als das. Es ist kein Zufall, dass gerade in den GUS-Staaten oder in Mittel- und Südamerika in den nächsten Jahren deutlich in diesem Bereich investiert wird, weil sie eben nicht den Aufwand eines komplett abgeschotteten Metrosystems benötigt und gleichzeitig sowohl komfortabler als auch schneller ist als der Bus.

Überhaupt sollte man sich im deutschen Schienenwesen die Frage stellen, ob sich nicht die eine oder andere SPNV-Leistung deutlich einfacher und wirtschaftlicher betreiben ließe, wenn man nach strassenbahnrechtlicher Zulassung fahren könnte. Natürlich nicht die wichtige RE-Leistungen zwischen den Oberzentren, aber gerade beim Thema Flächenerschließung, Reaktivierung und Neutrassierung vor Ort spräche nichts dagegen, die eine oder andere Strecke nicht nach EBO sondern nach BOStrab zuzulassen.

Wie viele Eisenbahnprojekte werden aufgrund des direkten Kreuzungsverbotes bei Bahnübergängen in der Kosten-Nutzen-Rechnung unsagbar teuer? Wenn man aber eine straßenbahnrechtliche statt einer eisenbahnrechtlichen Zulassung anstrebt, dann wäre dieses Thema vom Tisch. Auch aufwendige Zugsicherungen, die für mehrere tausend Tonnen schwere Güterzüge ausgelegt sind, bräuchte man nicht, wenn man Triebwagen mit siebzig oder achtzig Tonnen hat. Es ginge alles deutlich einfacher, aber mit nicht weniger Nutzen. Und wie Modelle etwa in Karlsruhe, Kassel oder Chemnitz zeigen, können die Fahrzeuge mit Doppelzulassung sehr wohl in den Hauptbahnhof einfahren.

Der Ansatz, mit der Straßenbahn weit nach draußen zu fahren, wie er in Karlsruhe verfolgt wird, ist das eine. Das andere ist, eingleisige Strecken verstärkt straßenbahnrechtlich zu befahren, um bei gleichem Komfort deutlich weniger Aufwand betreiben zu müssen. Ein Beispiel könnte die Ruhrtalbahn zwischen Bochum-Dahlhausen und Witten-Herbede sein. Ein- oder zweimal die Stunde ohne Umweg über Bochum von Hagen nach Essen, wenn der zu reaktivierende Teil der Strecke als Tram liefe. Oder auch die Ennepetalbahn, die nicht mal stillgelegt ist, sondern gelegentlich von Güterzügen genutzt wird. Mit Gütertrams, wie man sie aus Dresden kennt, ließe sich auch dieses Problem lösen.

Wichtig ist dabei aber eins: Es muss im Rahmen des vierten Eisenbahnpaketes (wenn das am St. Nimmerleinstag endlich kommt) sichergestellt werden, dass auch Tram-Infrastruktur reguliert wird. Open Access wie bei der großen Eisenbahn. Nicht nur, dass das die wettbewerbliche Vergabe klassischer Stadtbahnleistungen erleichtert (was eigentlich dringend notwendig wäre), sondern auch die genannten Vorschläge ließen sich vergeben wie jede SPNV-Leistung. Es gibt eine ganze Menge Ideen, die es einfach mal wert wären, sich näher damit zu beschäftigen. Natürlich habe ich hier kein Endkonzept parat, aber ein paar Überlegungen, wie man es schafft, dem Schienenverkehr zusätzliche Möglichkeiten zur Entfaltung zu bieten.

Siehe auch: SCI prophezeit starkes Wachstum im Tram-Bereich

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