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Diskussion über barrierefreie Bahnhöfe

10.08.15 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Nachdem die Bundesregierung ein Sonderprogramm für barrierefreie Ausbauten kleiner Stationen mit weniger als tausend Fahrgastwechseln an normalen Wochentagen aufgelegt hat, entbrannte letzte Woche eine Debatte über die Organisation und Finanzierung dieser Anlagen. Die Allianz pro Schiene weist darauf hin, dass etwa drei Viertel aller 5.484 Zugangsstationen barrierefrei seien – zumindest bei der Deutschen Bahn. Wie es in kommunalen Schienennetzen aussieht oder bei Infrastrukturbetreibern außerhalb des DB-Konzerns bleibt offen, scheint für den Verband aber auch nicht sonderlich interessant zu sein.

Geschäftsführer Dirk Flege: „Mit einer Quote von rund 75 Prozent an stufenfreien Bahnhöfen ist Deutschland auf einem guten Weg. Dennoch gilt es, sich noch besser auf die Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft vorzubereiten.“ Auffallend seien die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während es die Spitzenreiter, das Flächenland Schleswig-Holstein und der Stadtstaat Berlin, auf einen Anteil von 94 Prozent an stufenfreien Bahnhöfen bringen, kommt das Saarland nur auf 49 Prozent. Auch das gerne Bestmarken beanspruchende Bayern liegt mit 72 Prozent unter dem deutschen Durchschnitt, genauso wie das bevölkerungsreiche Nordrhein-Westfalen.

Flege: „Für uns sind die markanten Unterschiede innerhalb Deutschlands ein Zeichen dafür, dass die Länder unterschiedlich viel für ihre Bahnhöfe tun.“ Seiner Ansicht nach dürfe nicht allein die Deutsche Bahn für die Finanzierung verantwortlich sein: „Bahnhofsfinanzierung ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Deutscher Bahn, Bund, Ländern und Kommunen.“ Dabei begrüßte er ausdrücklich den aktuellen Vorstoß von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), fordert aber mehr Bundesgelder: „Dobrindts Sonderprogramm kann aber nur ein Anfang sein. Nicht 50 Millionen für drei Jahre, sondern 150 Millionen pro Jahr wären notwendig – und das über das Jahr 2018 hinaus. Beim gesetzlich vorgeschriebenen Umbau der Bahnhöfe zur Barrierefreiheit dürfen Kommunen und Bundesländer nicht alleine gelassen werden.“

In diesem Zusammenhang versprach er auch, bei der Auswahl zum Bahnhof des Jahres auf Barrierefreiheit zu achten. Der Verband kürt einen Großstadt- und einen Kleinstadtbahnhof des Jahres, um in der öffentlichen Wahrnehmung ein Gegengewicht zu den oft im kollektiven Gedächtnis verankerten „anrüchigen“ Bundesbahn-Bahnhöfen zu schaffen. Unabhängig von der Frage, welcher Bahnhof „im Prinzip“ barrierefrei ist, bringt Matthias Gastel, Sprecher für Eisenbahn- und Schienenpolitik der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag, auch das Thema Funktionstüchtigkeit auf den Tisch. Hierüber hat man bei der Allianz pro Schiene nichts gehört.

Gastel weiß aber aus eigener Erfahrung, dass Aufzüge und Rolltreppen häufig defekt sind und die Reparaturen sich teilweise über Monate hinziehen. Ein besonderes Beispiel ist der die Berliner U-Bahnhaltestelle Bülowstraße. Am 31. Dezember 2013 wurde der Aufzug durch Vandalismus außer Betrieb gesetzt, im November 2014 konnte er wieder fahren. Die Berliner Verkehrsbetriebe AöR haben im Anschluss daran stolz darauf hingewiesen, die Reparatur in nur zehn Monaten über die Bühne gebracht zu haben. Kritisiert hat das jedoch niemand. Während die kommunalen Verkehrsunternehmen in der praktischen Realität keinerlei Controlling unterliegen, gibt es im Regionalverkehr Aufgabenträger, die für Qualität und Leistung sorgen, allerdings nicht im Bereich der Bahnhöfe und Haltepunkte.

Das ist auch für Matthias Gastel eines der Hauptprobleme. So sind zum Beispiel je nach Stationsgröße zwar das Vorhandensein von Bahnhofsschild, Fahrplanaushang, regelmäßige Reinigung, Sitzgelegenheit vorgeschrieben, der Qualitätszustand bzw. die Häufigkeit aber nicht. Aufgrund dieser Vertragsunschärfe ist es für die Eisenbahnverkehrsunternehmen kaum möglich, auf eine Verbesserung der Stationsqualität hinzuwirken. Faktisch bedeutet dies, dass der Stationsbetreiber – in der Regel DB Station&Service – weitgehend selber darüber befinden kann, welche Leistung er für die vereinnahmten Stationsentgelte erbringt.

Erschwerend kommt hinzu, dass die bisherigen Entgeltnachlässe für den Fall unzureichender Qualität im Promillebereich der Umsatzerlöse des Stationsbetreibers liegen und quasi dadurch keine Wirkung haben. Er fordert daher einklagbare Qualitätsstandards und die Möglichkeit, Stationsentgelte zu kürzen. Forderungen dieser Art zu Lasten der DB AG erhebt man bei der Allianz pro Schiene allerdings nicht.

Siehe auch: Mehr Geld nur gegen mehr Controlling

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