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Der Benchmark auch für Berlin

02.07.15 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Das im VRR erdachte Lebenszyklusmodell für den Rhein-Ruhr-Express (ganz gleich, ob dort die geplante Ausbaustufe kommt oder ob es, was leider wahrscheinlicher ist, dauerhaft bei den Vorlaufleistungen bleibt) eignet sich hervorragend für andere geschlossene Netze: Für U-Bahnen, Straßenbahnen, S-Bahnen ohne direkte Anknüpfungspunkte zu anderen Schienenverkehrsleistungen, die Wuppertaler Schwebebahn (deren Infrastruktur jüngst wegen der besseren Abschreibungsmöglichkeiten von den Stadtwerken an die Stadt übertragen worden ist) und überall dort, wo es immer wieder heißt, dass aus was auch immer für skurrilen Gründen keine wettbewerbliche Vergabe sinnvoll oder überhaupt möglich sei.

Das beste Beispiel ist die S-Bahn Berlin, wo es mit der Deutschen Bahn einen langjährigen Schlechtleister gibt. Auch wenn ich nun Gefahr laufe, kritisiert zu werden, muss man doch sagen können, dass die Situation anders wäre, wenn eine NE-Bahn ein derartiges Theater veranstalten würde. Hier stünde eine Eisenbahnreform in Deutschland insgesamt auf dem Prüfstand und es würde zumindest eine umfassende Debatte über eine wie auch immer geartete Rückkehr zur monopolistischen Staatseisenbahn geben.

Bei aller Kritik die man jedoch vernehmen konnte, hieß es relativ schnell, dass niemand ernsthaft eine „Privatisierung“ wolle. Selbst als gar nichts lief, hat der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) stets eine Direktvergabe an die Deutsche Bahn gefordert bzw. im Rahmen einer „politischen Lösung“ (ein Begriff, den Politiker üblicherweise immer dann verwenden, wenn sie das Gesetz brechen) ein Verfahren angestrebt, bei dem niemand außer der Deutschen Bahn zum Zuge kommen sollte. Das ist gelungen. Alle anderen Bieter sind inzwischen rausgeekelt worden und – auch das entspricht im Übrigen allen praktischen Erfahrungen – die Deutsche Bahn hat ein Angebot erstellt, das unfinanzierbar ist.

Was haben wir nun davon? Schlimmstenfalls gilt es schon bald, die Leistungen der S-Bahn entweder zu kürzen oder deutlich mehr Geld aus dem Berliner Landeshaushalt dort hineinzustecken, das dann als Gewinn an das Bundesunternehmen S-Bahn Berlin GmbH wandert. Es wird also teurer. Dabei war das Argument gegen einen Fuhrpark im Eigentum des Landes Berlin immer, dass man den eigenen Haushalt nicht über die Maßen belasten wolle. Nun steht man da, hat nichts in der Hand außer einem total überteuerten Angebot der Deutschen Bahn, die auch Eigentümerin der Züge ist, deren Zulassung bald ablaufen, sodass in jedem Fall eine große Summe Geld fließen muss.

Das fällt auch nicht in die Kategorie „Hinterher ist man immer schlauer“, sondern was hier gelaufen ist, war von vornherein absehbar. Nun muss man in Berlin mit den Folgen der eigenen Politik und der eigenen Misswirtschaft leben. Umso mehr gilt es nun, auch im Hinblick auf die anstehende Vergabe von S-Bahnnetzen etwa in München oder RE-Verkehren in der gesamten Republik, sich Gedanken über die Frage der Finanzierbarkeit zu machen. Den VRR jedenfalls sollten sich einige mal zum Benchmark machen.

Siehe auch: RRX: Zuschlag rechtsverbindlich erteilt

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