Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Auch in Berlin: Mehr Eigenverantwortung wagen

22.06.15 (Berlin, Brandenburg, Kommentar) Autor:Max Yang

Dass nicht genug Geld für den öffentlichen Verkehr verfügbar ist, ist Fakt. Die Kampagnen, welche von den Verbänden wie dem VDV und der BAG-SPNV für eine Erhöhung der finanziellen Mittel für den Nahverkehr gefahren werden, haben mit Sicherheit ihre Berechtigung – eben damit Deutschland mobil bleibt. Und die Probleme, an denen die Verteilung der Regionalisierungsgelder bisher krankt, wurden an dieser Stelle schon mehrfach benannt.

Es ist ja durchaus fragwürdig, wenn die Verteilung unter den Bundesländern immer noch auf Grundlage des letzten Staatsbahn-Fahrplans von 1993 stattfindet und die neuzeitliche Bevölkerungsentwicklung mit Zu- und Abwanderungen nicht berücksichtigt wird. Auch dass mit der Stellschraube der Trassengebühren des gewinnorientierten bundeseigenen DB-Konzerns die Regionalisierungsmittel faktisch wieder über die Hintertür gekürzt werden können, ist ein absolutes Unding.

Dennoch darf sich die Seite der Landespolitik nicht damit begnügen, lediglich nach mehr Geld zu rufen. Immer noch werden viel zu viele Leistungen sowohl im städtischen ÖPNV als auch im SPNV faktisch unter Ausschluss des Wettbewerbs vergeben. Das Rationalisierungspotential ist, anders als es der VBB-Aufsichtsrat darstellt, auch in Berlin und Brandenburg noch längst nicht ausgeschöpft. Glücklicherweise hat der Wähler ein kurzes Gedächtnis. In ein paar Jahren starten die S-Bahn-Neuverträge in der Bundeshauptstadt. Dann drohen womöglich Leistungskürzungen, weil das einzige derzeit im Vergabeverfahren verbliebene Verkehrsunternehmen deutlich höhere Preise ausruft als von der Politik erwartet. Es wird längst vergessen sein, dass hausgemachte handwerkliche Fehler, wenn nicht gar strategisch unkluge politische Rücksichtnahmen wesentlich zur Geldknappheit beigetragen haben.

Ich weiß, Eigenverantwortung ist kein besonders populäres Wort. Taxiunternehmer rufen lieber nach einer obrigkeitsstaatlichen Verteidigung ihres Geschäftsmodells gegen Neuankömmlinge. Das deutsche Gesundheitssystem ist auch dank eines unzeitgemäß strengen Apothekenpflichtregimes eines der teuersten der Welt, ohne eine entsprechend höhere Qualität zu liefern. Und Branchen wie der Buchhandel genießen gesetzliche Privilegien (Stichwort Buchpreisbindung) auf Kosten der Allgemeinheit – was sie nicht davon abhält, medial immer wieder vermeintliche Krisen zu beklagen.

Eine selbst eingenommene Opferhaltung und das Konservieren bestehender Strukturen sind sicher bequemer als sich mit so exotischen Konzepten wie Wettbewerbsfähigkeit zu beschäftigen. Nur kann man so auch nicht sein eigenes Schicksal gestalten. Und wie jeder weiß, der den berühmten Berliner Schuldnerberater aus dem Fernsehen kennt, sollte man bei knappen Kassen nicht nur die Einnahmenseite, sondern auch die Ausgabenseite in Frage stellen. Wie der Verbraucher muss sich auch der Staat an die eigene Nase fassen. Solange das Geld noch für Wohltaten gegenüber eigentlich gescheiterten Unternehmen wie der Berliner S-Bahn reicht, kann es nicht so schlecht um die Finanzierung des hauptstädtischen Nahverkehrs stehen. Glaubwürdig geht anders!

Siehe auch: VBB: Resolution zu Regionalisierungsgeldern

Kommentare sind geschlossen.