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Multiples Aussitzen

21.05.15 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Zuerst: Die Annahme, dass es in einer so verfahrenen Konfliktsituation einen bösen und einen guten geben könnte, wie GDL und DB-Vorstand das vom jeweils anderen behaupten, widerspricht allen praktischen Lebenserfahrungen. Zu jedem Streit gehören zwei und in dieser Situation drängt sich der Eindruck auf, dass alle Beteiligten kein Interesse an einer baldigen und zufriedenstellenden Lösung in der Sache haben. Vielleicht war es der grundfalsche Anreiz der großen Koalition, letztes Jahr ein Tarifeinheitsgesetz in Aussicht zu stellen, um zwei oder drei Streiktage zu verhindern. Denn der Vorstand der Deutschen Bahn kann jetzt auf Zeit spielen. Man hat den Eindruck, er tut das auch, in der Hoffnung, ein Tarifeinheitsgesetz würde der GDL die Luft rauslassen.

Diese wiederum hat sich in eine so aussichtslose Lage manövriert, dass sie ohne Gesichtsverlust nicht mehr da rauskommt. Das schlimme ist: Selbst der Eintritt in ein Schlichtungsverfahren käme einem solchen gleich. Natürlich ist die Koalitionsfreiheit in Deutschland grundgesetzlich geschützt, aber wenn eine Gewerkschaft sich, zumindest in der Außendarstellung, aufführt wie der Elefant im Porzellanladen und daran auch noch Gefallen findet, dann ist das sicherlich nicht im Sinne des Erfinders. Gerade auch deshalb nicht, weil es sich im Eisenbahnverkehr um etwas anderes handelt als wenn morgen Erichs Lampenladen bestreikt wird.

Im Güterverkehr kann das alles aufgrund einigermaßen funktionierender Marktstrukturen noch aufgefangen werden. Wenn DB Schenker Rail dort Aufträge verliert, auch dauerhaft verliert, dann ist das legitim. Es ist im Interesse eines möglichst großen Drucks auf die Geschäftsführung des bestreikten Unternehmens und auf die Gewerkschaft auch nicht schlimm, wenn lukrative Aufträge, die schließlich die Grundlage für Arbeit, Beschäftigung und gute Löhne sind, verloren gehen. So haben alle Beteiligten ein Interesse daran, dass der Streik so schnell als möglich beendet wird. Auch wenn es im vorliegenden Fall leider nicht so aussieht. Eher spielen Herr Grube und Herr Weselsky gemeinsam Beamten-Mikado (wer sich bewegt, verliert).

Aber Stichwort Beamte: Immer wieder wird die Idee aufgebracht, Triebfahrzeugführer (zumindest teilweise) wieder zu verbeamten. Bereits bei der Frage, wer denn in den Beamtenstand kommt, taucht die erste Merkwürdigkeit auf. Es zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass in unserem Land nur wenig so willkürlich ist wie die Entscheidung ob Verbeamtung oder nicht. Wer zu dick, zu dünn, zu groß oder zu klein ist, wer eine zu dicke Brille hat oder vielleicht einfach nur im falschen Jahrgang geboren wurde, dem bleibt der Beamtenstand in vielen Fällen dauerhaft verwehrt. Sollen die Beamten unter den Lokführern im Losverfahren bestimmt werden? Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht erst jüngst die Auffassung vertreten, dass ein Streikverbot für Beamte, die keine unmittelbaren hoheitlichen Aufgaben ausführen, ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention sei. Im Zweifel hat man 20.000 neue Beamte (jeder für sich ein Haushaltsrisiko), die aber doch streiken dürfen? Nein, das Problem muss anders gelöst werden. Aber jetzt bitte schnell!

Siehe auch: Neuer GDL-Streik: Bis auf weiteres

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