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Der unaufgeregte Streik

27.04.15 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Zwei Verkehrstage gab es Streik, weil sich die Deutsche Bahn und die GDL auch nach 16 Verhandlungsrunden nicht geeinigt haben. Allein das ist schon ein deutliches Indiz darauf, dass es eben nicht einen guten und einen bösen gibt, sondern die Annahme, dass der Konzernvorstand versucht, die Sache solange auszusitzen, bis ein Tarifeinheitsgesetz der GDL „den Hahn zudreht“, ist naheliegend. In diesem Gesetzentwurf ist jedoch keinesfalls das Prinzip „Ein Konzern, eine Gewerkschaft“ vorgesehen, sondern „Eine Berufsgruppe, eine Gewerkschaft.“ Wobei nicht wenige Leute mit Ahnung und Sachverstand von der Materie davon ausgehen, dass ein solches Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht so oder so keinen Bestand haben wird.

Doch darum geht es dem Nutzer, wie der Beförderungsfall seit der Eisenbahnreform genannt wird, nicht. Er sieht nur, dass sein Zug nicht kommt. Was waren das doch für Bilder in der Vergangenheit: Verzweifelte Menschen stehen am Bahnsteig und finden nicht nach Hause, es fährt nichts und die Züge, die doch fahren sollen, können nicht, weil bestreikte Züge alles blockieren. Chaos bricht aus, Deutschland erstickt im Streik. Und gestern? Ich selbst bin mit dem Zug ohne Weiteres nach Köln gekommen (von Witten nach Hagen fährt Abellio und der Notfahrplan der DB hat reibungslos funktioniert) und fand etwas anderes bemerkenswert: Obwohl Köln und Hagen Knotenpunkte im Regional- und Fernverkehr sind, waren nirgendwo GDL-Leute zu sehen.

Wo sind die streikenden Triebfahrzeugführer? Sowohl in Hagen als auch in Köln waren die Bahnhöfe deutlich leerer als sonst, weil sich die Fahrgäste auf die Situation eingestellt haben. Aber was haben die Streikteilnehmer gemacht? Wieso gibt es nicht zumindest etwas Präsenz an den großen Bahnhöfen? Immerhin streiken die doch für ihr, wie es bei der GDL immer pathetisch heißt „Grundrecht“ und da kann man doch erwarten, dass der eine oder andere sich mal blicken lässt. Böse Zungen könnten sagen, dass ein Großteil der streikenden Personen einfach zwei freie Extratage genossen haben. Auch wenn die DB AG diese Leute nicht bei den Arbeitsplänen an einem solchen Tag berücksichtigt haben (ist überhaupt Streikgeld fällig, wenn die Teilnehmer an Streiktagen keine geplante Schicht haben?), so ist das besonders auffällig.

Bei jedem mehrtägigen von Verdi veranstalteten „Warn“streik in der kommunalen ÖPNV-Branche ist was los. Natürlich hat es Eventcharakter, wenn dort Bier und Bratwurst verkauft und Wolfgang Petry aus dem Lautsprecherwagen gespielt wird, aber die komplett fehlende Präsenz der GDL an den Bahnsteigen war noch gespentischer als die leeren Bahnhöfe selbst. Dabei ist nach diesen beiden Tagen kein Ende in Sicht – und wenn die Leute einmal eine Routine darin haben, auch mit dem Auto statt mit der Bahn zu fahren, dann drohen gefährliche Abwanderungen. Bahn und GDL müssen aufpassen, dass sie nicht an ihrem eigenen Ast sägen, denn im Falle von Abbestellungen wegen geringerem Fahrgastaufkommen, haben sowohl die DB AG als auch ihre Arbeitnehmer ein Problem. Auf lange Sicht ist die Eisenbahn eine Schicksalsgemeinschaft.

Siehe auch: Der GDL-Streik ist beendet, der Konflikt nicht

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