Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Stark verzerrte Wahrnehmung

23.04.15 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der erste Blick soll heute ins Regionalisierungsgesetz gehen. Paragraph fünf, Absatz eins schreibt, dass der Bund den Ländern für die Bestellung von Eisenbahnleistungen im Regionalverkehr eine bestimme Summe Geld zur Verfügung stellt, die aus dem Mineralölsteueraufkommen entstammt. Was leider all die Mautforderer für Fernbusse vergessen, ist, dass dieser an der Zapfsäule seinen Beitrag für die wirtschaftliche Grundlage des wichtigsten und zumindest größten Finanzierungsinstrumentes der Schiene beiträgt: Er tankt. Gelegentlich wird kritisiert, dass der Finanzierungskreislauf Schiene bei der Bahndividende oder wo auch immer das eine oder andere Leck habe, aber wenn das Prinzip „Straße finanziert Straße“ kategorisch umgesetzt würde, hätte die Schiene ein ganz erhebliches Problem.

Dennoch machen wir einfach mal einen Vergleich zwischen der Fahrt mit dem Zug und mit dem Fernbus. Nehmen wir die beiden nordrhein-westfälischen Oberzentren Dortmund und Siegen und gehen wir davon aus, dass jemand vielleicht sonntags nachmittags fahren möchte. Die einfache Fahrt kostet pro Person zwischen sechs und elf Euro mit dem Fernbus und dauert achtzig Minuten. Die Fahrt mit dem Regionalzug kostet im NRW-Tagesticket 29 Euro und dauert 130 Minuten. Es ergibt sich also ein Preisvorteil von 18 bis 23 Euro und ein Zeitvorteil von fünfzig Minuten für den Bus. Jetzt rechnen wir mal die Autobahnmaut drauf: Der Bus fährt rund hundert Kilometer auf der Autobahn. Ein Bus der Schadstoffklasse Euro VI mit drei Achsen zahlt 0,125 Euro pro Kilometer, was Mehrkosten von 12,50 Euro pro Bus verursachen würde. Ein mit 25 Personen ausgelasteter Bus würde dann pro Person und Fahrt 50 Cent teurer werden oder 0,5 Cent pro Person und Autobahnkilometer.

Dabei hat der Bus eine ganze Menge Nachteile im Vergleich zur Bahn: Es fängt damit an, dass der Student die lange Fahrt mit der Bahn mit dem NRW-Semesterticket absolvieren kann und keine gesonderten Kosten auf ihn zukommen. Außerdem ist der Vor- und Nachlauf mit kommunalen Verkehrsmitteln im NRW-Tarif integriert, im Busverkehr nicht. Das ist ein ganz entscheidender Vorteil der Schiene, über den leider viel zu selten jemand spricht. Stattdessen hören wir ein kollektives Lamento aus der Schienenbranche, dass der Fernbus z.B. den schönen InterConnex zerstört habe. Der Fernbus. Aha. Dass DB Fernverkehr Sparpreistickets für 19 Euro zwischen Leipzig und Berlin zuletzt massiv verramscht hat, darüber redet keiner. Auf der wichtigsten Strecke des InterConnex hat die DB AG den Markt so mit Billigtickets geflutet, dass hier eine Menge potentielle Kunden den Anbieter gewechselt haben.

Zumal der DB-Tarif ja auch das Cityticket im Vor- und Nachlauf beinhaltet, der InterConnex konnte das nicht anbieten. Es mag ja sein, dass der Fernbus hier auch eine Rolle gespielt hat, aber das ganze in der Sichtweise so massiv zu beschränken ist nicht in Ordnung. All die strukturellen Vorteile, die der Eisenbahn zu vernachlässigen und einseitig eine Busmaut zu fordern, ist aus Sicht von Schienenlobbyisten verständlich, verursacht jedoch eine stark verzerrte Wahrnehmung der Dinge.

Siehe auch: Neue Debatte um Fernbusmaut

Kommentare sind geschlossen.