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Das Preis-Leistungs-Verhältnis Berlins

02.04.15 (Berlin, Kommentar) Autor:Max Yang

Der Ruf nach mehr Subventionen für den ÖV erklingt regelmäßig aus den Interessenverbänden. Und in der Tat ließe sich Einiges verbessern, wenn mehr finanzieller Spielraum für zusätzliches Personal oder die Erneuerung des Fuhrparks bereitstünde. Ein Blick in meine Heimatstadt Berlin zeigt aber, dass oft bereits mit dem vorhandenen Geld nicht richtig gewirtschaftet wurde. Protagonisten waren jeweils alteingesessene Unternehmen, die über einen entsprechenden Rückhalt in der lokalen Politik verfügen. Das hat man bei den Berliner Verkehrsbetrieben AöR gesehen, die 2007 mit Kreditderivaten umgerechnet 150 Millionen Euro verzockten. Eine gewisse Schadensbegrenzung erfolgte durch einen Vergleich vor Gericht.

Bei der S-Bahn Berlin GmbH fand ein ähnliches Trauerspiel statt. Mittelfristig war geplant, die gesamten Bestellerentgelte als Gewinn an den Mutterkonzern Deutsche Bahn abzuführen. Die Quittung für den ruinösen Sparkurs kam 2009 mit jahrelangen Zugausfällen und Betriebseinschränkungen, wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr in Berlin registriert wurden. Gier, vermischt mit einer unappetitlichen „Mir kann keener“-Attitüde, hat ein noch viel größeres Schadenspotential als leichte Unterfinanzierungen. Dass BVG und S-Bahn Berlin „geborene Betreiber“ sind und ein Recht auf politische Lösungen haben, wofür auch Arbeitnehmerschicksale instrumentalisiert werden, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Die Lektion kann nur lauten, dass Misswirtschaft Folgen haben muss, selbst wenn es ein gut vernetzter, alteingesessener Betrieb sein sollte. Berlin zieht vor allem deswegen junge Menschen aus der ganzen Welt an, weil die Lebenshaltungskosten für eine Mehrmillionenstadt im Vergleich zu London oder Paris trotz der hohen Steuern niedrig sind und dennoch eine ordentliche Infrastruktur vorhanden ist. Viele Neu-Berliner besuchen die Hochschulen vor Ort, bilden sich beruflich fort oder gründen gleich eigene Unternehmen – vorausgesetzt, man bringt eine positive Lebenseinstellung mit und träumt nicht von der Verbeamtung auf Lebenszeit einschließlich Frühpensionierung. Doch auch hier ziehen die Preise weiter an, und es zeichnet sich eine Immobilienblase ab, die durch die niedrige Zinsen und den schwachen Euro begünstigt wird.

Die ewig wachsende Stadt kommt, sowohl was Wohnraum als auch Infrastruktur und Leistungsfähigkeit des Nahverkehrs angeht, an ihre Grenzen. Wir müssen das gute Preis-Leistungs-Verhältnis Berlins bewahren, um weiter attraktiv für tüchtige Gründer zu sein. Dabei kann man nur an der Stellschraube „Leistung“ drehen. Steuermittel sind so effizient zu nutzen wie möglich, was auch Wettbewerb einschließt. Das systematische Schüren von Existenzängsten nützt einigen Managern ineffizienter Unternehmen, ist aber ganz klar unethisch. Auch neue Betreibe werden lokales Betriebspersonal benötigen. Tariftreuegesetze stellen sicher, dass es eben nicht zu einem Wettlauf der Dumpinganbieter kommt. Es ist von elementarer Bedeutung, ÖV und Infrastruktur als Grundlage unseres Wohlstands ohne Denkverbote und zeitgemäß zu gestalten.

Siehe auch: S-Bahn Berlin: Angebotsfrist beendet

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