Wertschätzung und Anerkennung für gute Leute
07.11.24 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Wenn der Volkswagenkonzern im größeren Stil Personal abbaut und den Leuten Abfindungsangebote macht, dann sind das alles potentielle Eisenbahner. So war es schon bei der Schließung der beiden Opelwerke in Bochum vor zehn Jahren und so kann es auch jetzt laufen. Doch die Leute haben auch jede Menge andere Perspektiven. Ein Beispiel: Es gab einen ganzen Ausbildungskurs ehemaliger Opelaner, der geschlossen die Ausbildung abgebrochen hat, weil sie alle gemeinsam bei Daimler-Benz in Düsseldorf eingestellt worden sind.
Die Eisenbahn kann also nicht davon ausgehen, dass jeder um jeden Preis für die Schiene arbeiten möchte. Wie Kristian Loroch von der EVG nicht zu unrecht sagt, ist der Stolz auf den Beruf des Eisenbahners in den letzten Jahren leider gesunken. Das ist schade, denn die Eisenbahn bietet krisensichere Arbeitsplätze, eine gute Bezahlung und ist weitgehend konjunkturunabhängig – so heißt es zumindest immer. Doch wenn da natürlich öffentliche Diskussionen um Stellenabbau im DB-Konzern dazukommen, dann überlegt sich so manch einer, ob er sich nicht doch was anderes sucht.
Natürlich, die 30.000 Arbeitsplätze, die reduziert werden sollen, betreffen erstmal „nur“ den Verwaltungsbereich. Aber was ist denn eigentlich der klassische Wasserkopf und wie hört der hochgelobte „direkte betriebliche Bereich“ auf? Braucht man die Leute im Büro wirklich nicht und wer mit einer klassischen kaufmännischen Ausbildung bei der DB AG arbeitet, sucht sich vielleicht lieber jetzt schon was anderes. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch im vermeintlichen Wasserkopf motivierte Arbeitnehmer sind, die mit ihrer Qualifikation eine Menge Alternativen haben, aber die auch ihre Familie über die Runden bringen und ihre Rechnungen bezahlen.
Es stellt sich also die Frage, für wen die DB AG oder auch die Eisenbahn im allgemeinen noch interessant ist. Dabei muss man sich die Frage stellen, wenn man wirklich Bürokapazitäten abbauen will, ob es nicht die Möglichkeit gibt, auch hier gute Leute zu Lokomotivführern, Fahrdienstleiter, Mechatronikern und vielem anderen mehr zu machen. Ein moderner Fahrdienstleiterjob an einem Computer ist ohnehin längst ein Büroarbeitsplatz und kein klassischer Eisenbahner im Betriebsdienst mehr, wo jemand die Weichen stellen und im Zweifel auch bei der Reparatur von Stellwerkstechnik selbst Hand anlegen muss. Das gleiche gilt in den Werkstätten, wo der Computer inzwischen genauso allgegenwärtig ist wie der Schraubenschlüssel. Fehler im Zug werden elektronisch ausgelesen und dann wird geguckt, wie man reagieren muss.
In jedem Fall muss der Konzern sich eines ins Stammbuch schreiben: Mitarbeiter sind wertvolles Sachkapital, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten machen das aus, was ein Unternehmen zu leisten imstande ist. Wer heute noch glaubt, das seien alles nur Kostenposten und man könne alles wegrationalisieren und auslagern, der wird schon bald in chaotischen Zuständen aufwachen. Die DB AG braucht eine Kultur der Anerkennung und der Wertschätzung, dann klappt es auch mit den Mitarbeitern.
Siehe auch: DB AG: Mitarbeiterzufriedenheit ist gesunken
Foto: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben