Ist das deren Ernst?
29.05.24 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Haben wir diese Debatten nicht längst hinter uns? Zurück zur Staatseisenbahn, zur Behördenbahn, das ganze muss hoheitlich organisiert werden: Nein, muss es nicht und wer noch persönliche Erinnerungen an die alte Bundesbahn in Deutschland hatte, der weiß dass ein gescheitertes Eisenbahnkonzept alter Bauart war – ohne Zukunft. Es war ein Moloch, der am Schluss mehr Personalkosten als Umsatz hatte und dessen Schulden ein ernsthaftes Risiko für die öffentlichen Haushalte war.
Jetzt kann man natürlich sagen: Die DB AG ist jetzt auch überschuldet und die Eisenbahn kostet den Steuerzahler viel Geld. Das stimmt auch. Es war ja auch gar nicht das Ziel der Eisenbahnreform, die neu gegründete Bahn AG zu privatisieren. Das kam erst später. Das eigentlich Ziel war, die Schiene im Wettbewerb der Verkehrsträger zu stärken. Das hat man geschafft: Im Rahmen des Gesamtkonzeptes der Eisenbahnreform gab es mit der Einführung der Regionalisierungsgelder erstmals feste Vereinbarungen für die Finanzierung des strukturell defizitären Betriebs im Nahverkehr.
Ein mögliches Gegenargument wäre, dass man diese Regionalisierungsgelder ja auch einfach an die alte Behördenbahn hätte auszahlen können. Aber wo wäre die Kontrolle gewesen, wer hätte entschieden, wo und in welcher Taktung gefahren worden wäre? Denn genau das macht ja die Regionalisierung aus. Es gibt vor Ort einen Aufgabenträger, der die Fahrpläne entwickelt und mit den Nachbaraufgabenträgern im gleichen oder im benachbarten Bundesland Angebotskonzepte erarbeitet.
Das klappt nicht immer – natürlich ist es ärgerlich, wenn z.B. in Siegen eine künstliche Bruchstelle erzeugt wurde, weil es nicht mehr gelungen ist, den Regionalexpress von Aachen nach Gießen durchgängig auszuschreiben. Aber die Antwort kann doch nicht sein, dass wir eine zentrale Staatseisenbahn brauchen. Das zeigt auch, wie sehr sich manche Leute von modernen Entwicklungen entfernt haben. Gucken wir nach Baden-Württemberg, wo man aktuell die SWEG stärkt und die kommunale SSB AG zum Infrastrukturunternehmen für S-Bahnausbauten macht.
Da geht es dann sehr wohl zurück zur Staatseisenbahn, aber nicht zur zentralistischen Bundesbahn, sondern da ist es ein Land, das sich von der DB AG emanzipiert und nicht mehr entweder auf den bundeseigenen Akteur oder auf private angewiesen sein will. In Nordrhein-Westfalen hat man im Jahr 2021 die Chance versäumt, ein landeseigenes EVU auf die Beine zu stellen, als die Eurobahn zum Verkauf stand und Abellio im Schutzschirmverfahren war.
Doch genau solche Dinge werden ja in der jetzt vorgelegten Studie nicht angesprochen, solche Entwicklungen hat man scheinbar nicht auf dem Schirm. Das ist umso bedauerlicher, weil eine Reverstaatlichung etwa im SPNV genauso aussehen könnte – gerade im Sinne der Regionalisierung. Doch wer zurück ins Gestern will, der hat den Bezug zum Heute verloren und sieht nicht in die Zukunft. Eine starke Eisenbahn muss nicht privatisiert werden. Sie sollte aber auch keine zentralistische Eisenbahnbehörde alter Art sein.
Siehe auch: Neue Studie zur Eisenbahnliberalisierung
Foto: Abellio GmbH