VDV legt Jahresbilanz 2023 vor
05.02.24 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Nach Berechnungen des Branchenverbands VDV wurden 2023 rund 9,5 Milliarden Fahrgastfahrten in Deutschland mit Bussen und Bahnen absolviert. Damit hat sich die Nachfrage im deutschen ÖPNV nach jahrelangen pandemiebedingten Einbrüchen im vergangenen Jahr weiter erholt. Gleichzeitig blieben im letzten Jahr die Kosten für Personal, Strom und Diesel weiter auf hohem Niveau.
2023 zahlte die Branche im Vergleich zu 2020 im Schnitt 57 Prozent mehr für ihren Strom und 54 Prozent mehr für Dieselkraftstoff. Die Ticketpreise sind hingegen, bedingt vor allem durch das Neun-Euro-Ticket und das Deutschland-Ticket, im selben Zeitraum branchenweit um durchschnittlich über 23 Prozent gesunken. Hohe Kosten bei sinkenden Einnahmen stellen die Branche daher vor große wirtschaftliche Herausforderungen.
VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Die Menschen nutzen wieder deutlich häufiger den ÖPNV. 2023 war mit Blick auf die Fahrgastzahlen ein Jahr der Erholung, die Nachfrage ist im Vergleich zum Jahr davor um rund acht Prozent gestiegen. Das ist positiv und eng verknüpft mit der Einführung des Deutschland-Tickets. Auf der anderen Seite bringen die Abonennten des Deutschland-Tickets weit überwiegend keine zusätzlichen Einnahmen. Das sehr günstige Angebot sorgt vielmehr für erhebliche Verluste in der Branche, die durch Bund und Länder ausgeglichen werden müssen.“
Wortmann: „Was uns besonders sorgt, sind die weiterhin sehr hohen bzw. steigenden Kosten im Betrieb, also bei Strom, Diesel und Personal. Die Lücke zwischen Ticketeinnahmen und Kostenentwicklung wird immer größer, so dass der wirtschaftliche Druck auf die Branche extrem zunimmt. Wir brauchen eine ehrliche und umfassende Debatte darüber, was der ÖPNV in Deutschland künftig leisten soll und unter welchen finanziellen Bedingungen er im Stande ist, dies zu tun. Ticketpreise zu minimieren und gleichzeitig das Bus- und Bahn-Angebot maximieren zu wollen, um Klimaschutziele im Verkehrssektor zu erreichen, wird als Gesamtrechnung nicht aufgehen. Oder zumindest nur mit erheblichen zusätzlichen Investitionen durch Bund und Länder.“
Die Branche wertet den durch das Deutschland-Ticket erreichten Fahrgastzuwachs als Erfolg und sieht noch weiteres Wachstumspotenzial. Bei den inzwischen rund elf Millionen Abonnentinnen und Abonnenten des Deutschland-Tickets kommt das Angebot sehr gut an: 95 Prozent der Menschen, die ein Deutschland-Ticket besitzen, sind damit insgesamt zufrieden.
„Daran sieht man, dass die Einführung des Deutschland-Tickets der richtige politische Impuls war. Und man sieht, dass die Branche dies mit entsprechender Energie und Professionalität in kurzer Zeit sehr gut umgesetzt hat. Diesen Erfolgsweg müssen wir nun gemeinsam mit Bund und Ländern weitergehen. Die kürzlich getroffene Entscheidung der Verkehrsministerkonfernz zur Preisstabilität des Deutschland-Tickets in diesem Jahr war für die weitere Nachfragesteigerung richtig und wichtig“, so Wortmann.
Wortmann: „Für uns als Branche bleibt jedoch die Frage der vollständigen Finanzierung des Tickets weiterhin offen. Das ist nicht gut, denn die Verkehrsunternehmen brauchen längerfristige Planungssicherheit. Aktuell wissen wir nicht, wie lange die zugesagten Finanzmittel des Bundes und der Länder ausreichen, um die Verluste auszugleichen. Und wir wissen nicht, was danach kommt. Wir müssen deshalb schnell miteinander über eine dauerhaft tragfähige Finanzierung des Deutschland-Tickets sprechen. Und wir müssen die Maßnahmen miteinander abstimmen, mit denen aus Branchensicht weiteres Wachstum beim Deutschland-Ticket möglich ist.“
Aus Sicht der Branche können in den kommenden Jahren weitere Wachstumspotenziale beim Deutschland-Ticket gehoben werden, sodass unter entsprechenden Rahmenbedingungen rund 15 Millionen Tickets ein realistisches Wachstumsziel sein können. Dafür benötigt die Branche die Voraussetzungen und politische Beschlüsse, etwa der Preisentwicklung, bei der Verlässlichkeit des Angebots, bei der Verstetigung von rabattierten Job- und Studierendentickets sowie bei der zielgruppenspezifischen Weiterentwicklung und bei der konsequenten Vermarktung des Tickets.
So empfiehlt der VDV für die künftige Preisgestaltung die Entwicklung eines Index, an dem rechtzeitig, transpartent und auf Basis tatsächlicher Preis- und Kostenentwicklungen der monatliche Preis des Deutschland-Tickets festgelegt wird; auch damit maßvolle Erhöhungen von den Fahrgästen in den nächsten Jahren akzeptiert werden.
Siehe auch: Immer noch unter 2019