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Noch immer unter 2019

05.02.24 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Acht Monate des alten Jahres hatten wir nun das Deutschlandticket und was stellen wir fest: Mit rund 9,5 Milliarden Fahrgastfahrten liegt die Branche noch immer deutlich unter dem letzten Vorkrisenjahr 2019. Damals waren es nach VDV-Berechnungen rund 10,5 Milliarden Fahrgastfahrten, das Statistische Bundesamt sieht sogar noch mehr. Das liegt daran, dass die Berechnungsmethoden andere sind und dass das Statistische Bundesamt traditionell höhere Werte ermittelt als der Branchenverband VDV.

Man kann also sicher sagen, dass sich die Methodik nicht geändert hat und trotz des Deutschlandtickets waren noch weniger Menschen auf der Schiene unterwegs. Das kann natürlich Gründe haben, die in einer sich verändernden Arbeitswelt liegen. Mehr Arbeitnehmer sind regelmäßig im Homeoffice als vor fünf Jahren. 2019 hat auch der Fahrplan noch funktioniert. Dass es bundesweite Notfahrpläne gibt, die aktuell in manchen Regionen weiter verschärft werden, war 2019 noch unbekannt. Züge, die im Fahrplan standen, sind in der Regel auch gefahren.

Überhaupt muss man sich die Frage stellen, ob die Eisenbahnbranche überhaupt die Kapazitäten hat, nennenswert mehr Fahrgäste aufzunehmen als bislang. Antwort: Leider Gottes hat sie das nicht und das Deutschlandticket mag eine effektive finanzielle Entlastung sein, es bringt aber nicht nennenswert mehr Arbeitnehmer vom Auto auf die Schiene. Das war 2022 in den drei Monaten des Neun-Euro-Tickets anders, obwohl die Zusatzfahrten auf der Schiene nicht für eine Senkung des Autoverkehrs gesorgt haben.

Sehr wahrscheinlich hatten wir es größtenteils mit Spaß- und Partyfahrten zu tun und so manch eine fröhliche Runde hätte statt auf Sylt wohl dann ihren Platz in einem Schrebergarten in Köln-Mülheim gefunden. Das ist aber eine ganz wichtige Erkenntnis, denn wenn die Fahrgastzahlen nicht nennenswert steigen, gleichzeitig aber die Einnahmen für die Branche wegbrechen, dann macht man damit natürlich ein neues Kostenfass auf. Da ein Wegfall der Schuldenbremse momentan nicht sehr wahrscheinlich ist, stellt sich die Frage, wie die fehlenden Umsätze kompensiert werden sollen.

Aktuell soll das Deutschlandticket bis zum 31. Dezember preisstabil bleiben, was danach läuft, wird man sehen. Jetzt wird der eine oder andere wohl sagen, dass die Zahl der verkauften Deutschlandtickets ja höher liegt als die der früheren Zeitkarten. Das stimmt, denn für viele Fahrgäste, die bis dahin Barfahrscheine gelöst haben – etwa die Vierertickets – lohnt sich jetzt das Deutschlandticket.

Es ist nun einmal eine massive Ersparnis im Vergleich zu den Zeitkarten alter Art. Dennoch müssen wir realisticherweise feststellen, dass das Ziel, nennenswert viele Autofahrer auf die Schiene zu locken, nicht erreicht wurde. Aber bei einer Eisenbahn, die ohnehin nicht in der Lage wäre, im größeren Stil neue Fahrgäste aufzunehmen, ist das auch längst nicht so bedauerlich, wie es aussieht. Dennoch muss das oberste Ziel sein, die Kapazitäten der Eisenbahnbranche zu erhöhen und Eisenbahnkrise sukzessive zu beenden.

Siehe auch: VDV legt Jahresbilanz 2023 vor
Foto: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen

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