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Der Veränderungsdruck ist da

11.01.24 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist tatsächlich ein starkes Stück, wenn der DB-Personalvorstand Martin Seiler sagt, dass es ja bereits das gesetzliche Recht zur Reduktion der Arbeitszeit gibt. Ja, es gibt auch in der Eisenbahnbranche inzwischen die tarifvertragliche Möglichkeit, gegen Lohnverzicht ein Modell für 42 Urlaubstage im Jahr zu wählen. Das ist selbstfinanzierte Freizeit und das ist für die DB AG, aber auch für die meisten anderen Unternehmen im Markt ein großes Problem.

Was waren es doch schöne Zeiten, als man vierzig, fünfzig, sechzig oder mehr Überstunden im Monat einfach bezahlen konnte oder – noch besser – aufschreiben konnte, auf dass sie irgendwann vielleicht mal abgefeiert werden. Offensichtlich sehen wir jetzt, dass die gesamte Branche außerstande ist, eine Personalplanung zu aufzubauen, dass bei regulären Arbeitszeiten der Betrieb aufrecht erhalten bleiben kann. Denn Zugausfälle sind ja keine Seltenheit.

Die Befürchtungen die VDV-Geschäftsführer Martin Henke hat, sind ja in der Sache richtig, aber sie sind eben auch außerhalb von Streiks da. Was ist denn, wenn der Lokführer nicht zur Arbeit kommt, weil er mit dem Zug eines anderen Unternehmens seine Einsatzstelle erreichen muss und dieser fällt wegen Personalmangel aus? Auch dass Stellwerke nicht besetzt sind oder vorzeitig schließen, weil es keine Leute gibt, ist längst keine streikbedingte Sondersituation mehr sondern Alltag in der schweren Eisenbahnkrise.

Eine der Hauptursachen dafür sind fehlende Mitarbeiter. Nun wissen wir natürlich nicht, wie hoch die Kündigerquote wirklich ist. Niemand will genaue Zahlen haben, aber das diffuse Gefühl ist. Es wird auch von allen kommuniziert, dass die Personalakquise und das Halten der Mitarbeiter inzwischen in etwa gleich wichtig geworden sind. Aber wie will man denn die nächste Kündigungswelle verhindern, wenn nicht in dem man den Stress deutlich reduziert

Diese ganze Situation ergibt sich, während wir parallel noch relativ am Anfang einer längeren Verrentungswelle stehen. Die geburtenstarken Jahrgänge aus der Wirtschaftswunderzeit gehen ja erst in den Ruhestand. Das in beiden deutschen Staaten geburtenstärkste Jahr war 1964, diese Leute werden im neuen Jahr sechzig und haben allesamt noch einige Berufsjahre vor sich.

Wie soll es denn in zehn Jahren aussehen, wenn diese Leute alle nicht mehr dabei sind und die jüngeren Quereinsteiger genauso schnell wieder kündigen, wie man sie akquiriert hat? Denn dass die Eisenbahner leistungsfähige Leute sind, die ordentlich was auf dem Kasten haben, steht ja völlig außer Frage. Gleichzeitig aber sind genau diese guten Leute auch bei der Konkurrenz gefragt.

Jeder Handwerksbetrieb sucht händeringend Mitarbeiter und wer mal Schreiner, Elektriker oder Installateur gelernt hat und nun als Lokomotivführer genug von Überstunden, von Pausen auf dem Führerstand oder weiteren Stresselementen hat, kann jederzeit in seinen anderen Beruf zurückgehen. Die Leute sind nicht mehr um jeden Preis auf den Eisenbahnjob angewiesen und dass muss sich endlich festsetzen in den Köpfen.

Siehe auch: GDL-Streik hat begonnen
Foto: Deutsche Bahn AG / Uwe Miethe

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