Mofair: Deutschlandticket langfristig erhalten
16.11.23 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Die Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler in der letzten Woche hat keine dauerhafte Einigung für die Fortsetzung des Deutschlandtickets gebracht. Jetzt hat sich auch der Wettbewerberverband Mofair zu Wort gemeldet. Aktuell ist das Ticket bis zum 30. April 2024 gesichert. Auch eine erhebliche Preissteigerung ist möglich. Zuletzt wurde das Deutschlandticket nicht mehr als 49-Euro-Ticket angekündigt, sondern von einem Markteinführungspreis gesprochen.
Mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann: „Alle haben bürokratischen Aufwand – Verkehrsunternehmen und Verbünde müssen Tarifanträge stellen, Bund und Länder die Übertragung der 2023 nicht benötigten Mittel nach 2024 sicherstellen. Aber geklärt ist sonst nichts. Ohne mittelfristige Planungssicherheit kann das Deutschlandticket die in es gesetzten Hoffnungen aber nicht erfüllen: So wird es weder bei den Jobtickets noch bei den Studierendentickets mit Schwung vorangehen. Und die Strukturen, die vereinfacht werden sollen und müssen, bleiben wie sie sind. Mangelnde Kompromissfähigkeit zwischen Bund und Ländern und fehlende Ideen des Bundes haben in die Sackgasse geführt. Wir müssen aber aus der Endlosschleife der Nichtentscheidungen heraus, sonst kommen wir nie zum dringend benötigten Ausbau des Angebots.“
Weil das Deutschlandticket zum Preis von 49 Euro pro Monat erst am 1. Mai 2023 an den Start gehen konnte, werden die von Bund und Ländern je hälftig zur Verfügung gestellten Mittel von drei Milliarden Euro zur Deckung der Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen absehbar nicht vollständig benötigt. Die für 2023 vereinbarte Nachschusspflicht wird daher nicht zum Tragen kommen. Für das Folgejahr gibt es keine solche Pflicht. Schätzungen der Branche gehen aber von einem Bedarf in Höhe von gut 4,6 Milliarden Euro aus.
Daher hatten die Länder im Vorfeld der MPK vom Montag ihre Bereitschaft bekundet, ihrerseits die Hälfte der zusätzlichen Mehrkosten zu übernehmen und den Bund aufgefordert, das gleiche zu tun. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte dies aber wiederholt abgelehnt. Bund und Länder haben nun vereinbart, die ihn ihren jeweiligen Haushalten für das Jahr 2023 eingeplanten Mittel ins Jahr 2024 zu übertragen. Dafür muss der Bund auch das Regionalisierungsgesetz entsprechend anpassen.
Damit ist zwar erst einmal der Fortbestand des Tickets zum bisherigen Preis sichergestellt, was mofair begrüßt. Die Landesverkehrsminister haben aber nun erneut die Aufgabe, ein Konzept zur Weiterentwicklung des Tickets ab dem 1. Mai 2024 zu erarbeiten. Das Ticket hätte mit seiner Einfachheit ein Potenzial von weit mehr als den aktuellen zehn bis elf Millionen Nutzern. Gerade in der Ausprägung als Jobticket wäre noch sehr großes Potenzial vorhanden.
Man sieht aber drei grundsätzliche Probleme: Niemand schafft sein Auto ab, wenn zu befürchten steht, dass das Deutschlandticket schon in naher Zukunft vom Markt verschwindet. Auch Arbeitgeber werden nicht bereit sein, dieses Angebot für ihre Belegschaft einzuführen, wenn alle paar Monate oder einmal jährlich die ersatzlose Abschaffung zu befürchten steht. Auch für die Studentenvertreter gibt es keine Klarheit, sodass die Semestertickets in der Schwebe hängen. Unter diesen Bedingungen fällt es der Branche schwer, ihre Marketinganstrengungen auf die Gewinnung neuer Abonnenten zu verstärken. Die Gefahr, sich unglaubwürdig zu machen, ist zu groß.
Auf den Wunsch der Länder nach zusätzlichen Bundesmitteln reagierte Verkehrsminister Wissing gebetsmühlenhaft mit der Forderung nach der Vereinfachung der Tarif- und Organisationsstrukturen in den Ländern und Regionen. Andersherum wird ein Schuh draus: Das Deutschlandticket muss es mindestens fünf Jahre verlässlich geben, damit eine deutliche Entschlackung der heutigen Strukturen sowie überkomplexen „Spaghettifinanzierung“ des öffentlichen Verkehrs möglich wird. Erst dann wird offenbar, wie viele Finanzmittel dauerhaft für das heutige Angebot benötigt werden und dann müssten die staatlichen Ebenen Bund, Länder, Kommunen entscheiden, wer davon wieviel zahlt.
Ohne einen solchen „eingeschwungenen Zustand“ werden alle Tarifstrukturen und fast alle Tarifprodukte erhalten werden müssen. Besonders auffällig sei, dass der Bund außer dem Verweis auf knappe Kassen keinerlei inhaltlichen Beitrag, wirklich nicht einen, zur geforderten Vereinfachung der Strukturen geleistet habe. Aber auch die Länder könnten, so Mofair, deutlich aktiver sein.
Siehe auch: Die richtigen Fragen