Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Interessant, aber aktuell nicht durchsetzbar

27.11.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Bereits letztes Jahr hat man in Köln ein Modell der Nutznießerfinanzierung vorgestellt. Solche Dinge auszuarbeiten ist auch dann nicht verkehrt, wenn man weiß, dass die politischen Mehrheiten so ohne weiteres dafür nicht vorhanden sein werden. Auf der anderen Seite: Als das Modell letzte Woche in Frankfurt vorgestellt worden ist, war die aktuelle Haushaltssperre im Bund noch nicht absehbar.

Auch die Eisenbahn und ihre Projekte sind gefährdet, wenn das Corona-Geld nicht mehr für den Klima- und Transformationsfonds umgewidmet werden darf. Es kann sich also sehr schnell eine Möglichkeit ergeben, dass man auf Finanzierungsmodelle setzen muss, die im Moment reichlich abwegig erscheinen. Dafür braucht man aber auch die vielfach zitierte Planungssicherheit, die auch über die einzelne Legislaturperiode hinausgeht.

Es macht das Wesen der Demokratie aus, dass Regierungen nicht nur turnusgemäß abgewählt werden können, sondern dass eine Koalition jederzeit platzen und durch eine andere ersetzt werden kann. Es ist also durchaus möglich, dass die Ampelkoalition noch vor Weihnachten endet und wir stattdessen erneut eine Koalition der SPD mit CDU und CSU sehen. Dennoch fährt die Eisenbahn weiter – oder eben auch nicht, angesichts der schweren Eisenbahnkrise in Deutschland.

Aber wir brauchen eine Verlässlichkeit, die unabhängig von politischen Mehrheiten Bestand hat. Wie sollen wir denn dafür sorgen, dass Arbeitgeber im großen Stil Deutschlandtickets für ihre Belegschaft anschaffen, wenn das ganze vielleicht zum 1. Mai nächsten Jahres eingestampft wird? Es wäre doch eine Nummer aus dem Tollhaus, wenn das Deutschlandticket nach einem Jahr weg wäre und vielleicht sogar im Oktober wieder eingeführt würde.

Wie soll man den Unternehmen vor Ort dann Planbarkeit anbieten? Wer schafft sein Auto ab, wenn er nicht weiß, ob das Monatsticket im April noch 49 und im Mai dann vielleicht 270 Euro kosten wird? Gerade wenn man beim Berufsverkehr auf öffentliche Verkehrsmittel setzen wird, stellt sich für viele Firmen die Frage, ob man denn wirklich Parkplatzkapazitäten abbauen möchte, wenn in wenigen Wochen das Deutschlandticket als Jobticket wieder wegfällt?

Aber solange das nicht geklärt ist, wird man auch nicht ernsthaft über Nutznießerfinanzierung diskutieren können. Klar gibt es in der Eisenbahn- und ÖPNV-Branche Begehrlichkeiten, dass man nach dem Vorbild der GEZ jeden einzelnen Haushalts anzapfen kann, ob die Bewohner nun mit Bussen und Bahnen fahren oder nicht.

Umgekehrt: Wenn jeder sein Monatsticket zahlen müsste, könnte der auch jederzeit einsteigen. Haben wir denn überhaupt die Kapazitäten, um all diese Menschen zu transportieren? Derzeit sehen wir überall in Deutschland den Umstieg auf Notfahrpläne, weil die Branche selbst den aktuellen Soll-Fahrplan nicht mehr einhalten kann. Auch vor diesem Hintergrund muss man sagen: Legt die Pläne in die Schublade, lasst sie da, vielleicht brauchen wir sie irgendwann und können umsetzen, aber aktuell definitiv nicht.

Siehe auch:
Foto: Deutsche Bahn AG / Christian Bedeschinski

Kommentare sind geschlossen.