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Personalakquise kostet gutes Geld

07.06.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Also zuerst: Die Zahlen stimmen. Es fehlen heute bereits an allen Ecken und Enden Eisenbahner und dennoch stehen wir erst am Anfang einer massiven Verrentungswelle. Es wird zwar viel ausgebildet, aber scheinbar nicht genug und nicht wenige neue Eisenbahner gehen auch relativ schnell wieder. Wie viele das genau will niemand so recht wissen, aber es sind schon einige. Da muss man sich als Arbeitgeber rund um die Schiene attraktiver machen.

Dazu gehören gute Lohnabschlüsse, sehr wahrscheinlich auch deutlich höher als im Bundesdurchschnitt und soziale Arbeitspläne. Ob eine 35-Stunden-Woche realistisch ist, sei dahingestellt, aber z.B. eine verlässliche Fünftagewoche kann dafür sorgen, dass die Mitarbeiter dauerhaft gesundheitlich für das Vielschichtsystem geeignet bleiben. Derzeit liegt das Renteneintrittsalter bei 67 Jahren. Wer 45 Beitragsjahre hat, kann mit 63 gehen, wie lange es diese Regelung noch gibt, bleibt abzuwarten. Tendenziell wird die Lebensarbeitszeit steigen, auch bei der Eisenbahn.

Was passiert aber, wenn im großen Stil Arbeitnehmer mit 61 oder 62 nicht mehr fahren können, aber dem Arbeitgeber bleiben sie dann doch erhalten bis zum dann gültigen Renteneintrittsalter? Auch hier muss man reagieren. Natürlich kann ich jeden Geschäftsführer verstehen, der aufgrund des massiven Personalmangels lieber Überstunden bezahlen würde, aber auf die lange Sicht sichert es die Arbeitskraft der Belegschaft.

Wir wissen ja auch gar nicht, wie es jetzt in den kommenden Jahren weitergeht, wenn die Verrentungswelle andauert und gleichzeitig erzählt die Politik etwas von Verkehrswende, Verkehrsverlagerung und einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen in den kommenden sieben Jahren. Das geht überhaupt nicht. Man muss jetzt gegensteuern, um sicherzustellen, dass zumindest der Status Quo aufrecht erhalten werden kann.

Wenn man sich aber ansieht, dass Zugausfälle die Regel sind, dann kann man sich nur größte Sorgen machen. Wenn so ein Zug mal ausfällt, weil es keine Lokomotivführer gibt und mal ausfällt, weil die Stellwerke wegen fehlender Fahrdienstleiter nicht besetzt sind, dann hat man die klassischen Merkmale einer Mangelwirtschaft erreicht.

Diese schwere Eisenbahnkrise in Deutschland definiert sich weitgehend darüber, dass rund um die Schiene seit einiger Zeit massive Mangelwirtschaft gefahren werden muss. Um dagegen vorzugehen und mehr Arbeitnehmer für die Schiene zu gewinnen, sind deutlich bessere Löhne unerlässlich. Es geht gar nicht anders.

Inwieweit sich die Idee mit einer Genossenschaft als Leiharbeitsfirma in die Tat umsetzen lässt, bleibt abzuwarten. Mit einem Augenzwinkern kann man sagen, dass damit zumindest das Thema Personalübergang beim Betreiberwechsel erledigt wäre. Es stellt sich aber die Frage, ob das eine oder andere Eisenbahnverkehrsunternehmen in naher Zukunft nervös wird, wenn ein erheblicher Teil der Belegschaft auf einmal ein Arbeitszeugnis verlangt. Hier muss man einfach sehen, wie die Sache in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht.

Siehe auch: GDL legt umfassende Tarifforderungen vor
Foto: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben

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