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Deutschlandticket mit typisch deutschen Problemen

02.05.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist so viel Schwung in die Branche gekommen wie wohl seit der Fernbus-Liberalisierung 2013 wohl nicht mehr. Mit Deutschlandtarif und nun Deutschlandticket sehen wir wichtige Schritte in Richtung Verkehrswende. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail. Zunächst einmal ist es ein wenig enttäuschend, dass es sich beim Deutschlandticket anders als beim experimentellen Neun-Euro-Ticket um ein Abo-Produkt handelt. Das macht die Prozesse wesentlich komplizierter und kundenunfreundlicher, die Kritik von Pro Bahn an der Gestaltung ist vollkommen angebracht.

Ein Nutzer, der das Deutschlandticket auf der Website der DB AG buchen möchte, wird erst mal mit der abschreckenden Nachricht „Bei Postversand-Tickets beachten Sie bitte die Vorlaufzeiten: Zeitkarten zwei Tage, Abos 14 Tage“ begrüßt. Zwei Klicks weiter stellt man beruhigt fest, dass das Deutschlandticket zwar standardmäßig als Handyticket ausgestellt wird. Doch ist „Zahlung nur per Lastschrift möglich“. Viele ausländische Besucher werden sich wahrscheinlich frustriert abwenden, auch wenn Deutschland ein im internationalen Vergleich hervorragendes ÖPNV-Netz hat.

Für Reisende, die sowohl preis- als auch umweltbewusst sind, eigentlich ideal. Wenn nicht die Sturheit der Entscheidungsträger in Vertriebsfragen wäre. Würde denn wirklich irgendjemandem ein Zacken aus der Krone brechen, wenn ein amerikanischer Tourist mit seiner Kreditkarte ein oder zwei Deutschlandtickets für einen Monat als Einzelprodukte kauft? Da das Abonnement monatlich kündbar ist, erscheint die Komplexität der gesamten Prozesse umso sinnloser.

Auch bei kommunalen Verkehrsunternehmen ist das Bild durchwachsen. Es hängt offenbar vom Glück ab, ob der örtliche Verkehrsbetrieb Bürger mit schlechter Kredithistorie als würdige Kunden ansieht. Und wenn ein Unternehmen öffentlich sagt, dass es lediglich deutsche Bankkonten akzeptiert, ist das rechtlich nicht unproblematisch – die Europäische Kommission kämpft seit Jahren gegen die sogenannte „IBAN-Diskriminierung“.

All dies erscheint umso absurder, wenn man bedenkt, dass in anderen Nationen viele Versorger auch Kreditkarten für regelmäßig wiederkehrende Abbuchungen akzeptieren. Zahlungen mit Kredit-, Prepaid- oder Bankkarte sind für den Händler wesentlich sicherer als Lastschriften und und auch die Gebühren für Kartenakzeptanz sind in den letzten Jahren deutlich gesunken. Dies wäre eigentlich die auf der Hand liegende Lösung: Akzeptanz von Bankkarten als zusätzliche Option und Alternative zur hakeligen Lastschrift.

Der Konsens, den Bund, Länder und Verkehrsunternehmen schaffen sollten, sollte nicht Symptombekämpfung sein, sondern ein bundesweit einheitlicher Mindeststandard für den Vertrieb von Fahrkarten. Mit verschiedenen Zahlungsmitteln und -modellen. Im Interesse von Umwelt, Tourismus, sozialer Inklusion und vielem mehr ist dies dringend nötig. Denn wir alle wollen ja eine Verkehrswende hin zur Schiene und das Deutschlandticket ist Teil dessen. Entsprechend muss es so fortschrittlich sein wie sein Ruf.

Siehe auch: Deutschlandticket gestartet
Foto: Deutsche Bahn AG / Dominic Dupont

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