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Den Bund an seine Pflicht erinnern

08.05.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn man in Bayern und Sachsen feststellt, dass der Bund für den Fernverkehr zuständig ist, dann kommt diese Erkenntnis vielleicht etwas spät, aber sie ist natürlich richtig. Nirgendwo im Grundgesetz steht etwas von eigenwirtschaftlichem SPFV oder dass eine bundeseigene Aktiengesellschaft, konkret die DB Fernverkehr AG, eine Organisationshoheit habe. Im Gegenteil: Artikel 87e des Grundgesetzes legt klipp und klar fest, dass der Bund für den Personenverkehr auf der Schiene verantwortlich ist, soweit es sich nicht um den Regionalverkehr handelt.

Jetzt kommt der entscheidende Satz: Das nähere regelt ein Bundesgesetz. Wir befinden uns im Jahr 30 der Eisenbahnreform und dieses Bundesgesetz existiert nicht. Zweimal hat der Bundesrat bereits ein Fernverkehrsgesetz verabschiedet, beide male ist dieses im Bundesrat beschlossene Gesetz nie im Bundestag debattiert worden. Schon als man den Börsengang der DB AG vor Augen hatte, wollten die Länder den Bund verpflichten, dass die Zahl der im SPFV zu leistenden Zugkilometer die des Jahres 2007 nie mehr unterschreiten darf und dass jedes Oberzentrum mit mindestens sechs Fernverkehrszugpaaren pro Tag anzubinden ist, soweit ein Schienenanschluss besteht.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wieso der Bund dagegen ist und wieso die Bundesregierung nach wie vor der Auffassung ist, dass es überall dort per definitionem keinen SPFV-Bedarf gibt, wo die DB Fernverkehr AG nicht bereit ist, eigenwirtschaftlich zu fahren. Zahlreiche Bundesverkehrsminister und Eisenbahnpolitiker auf Bundesebene hätten diese Auffassung in einer möglichen Bundestagsdebatte über ein SPFV-Gesetz darlegen können. Das war aber gar nicht notwendig, weil der Bundestag sich einfach nicht damit befasst hat.

Wir erreichen hier also die staatsrechtliche Grundsatzfrage, in welchem Verhältnis die beiden Kammern des bundesdeutschen Parlamentarismus zueinanderstehen und was passiert, wenn die eine Kammer ein Gesetz verabschiedet, die andere Kammer sich damit aber nicht befasst. Hier ist sicher auf der Ebene des Grundgesetzes eine Nacharbeit erforderlich, vielleicht muss auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe der Bundesregierung eine solche Regelung ins Lastenheft schreiben.

Stichwort Bundesverfassungsgericht: Es wäre doch ein schöner Anlass für Sachsen und Bayern jetzt eine weitere Klage in Karlsruhe einzureichen: Der Bund ist laut Artikel 87e des Grundgesetzes zum Erlass eines Bundesgesetzes zum Fernverkehr verpflichtet, tut das aber nicht. Zeit, ihn in Karlsruhe daran zu erinnern – auf dass das Bundesverfassungsgericht den Bundestag zumindest verdonnert, sich innerhalb einer bestimmten Frist mit Gesetzen zu befassen, die der Bundesrat beschlossen hat.

Jeder Bürger kann im Umgang mit Verwaltungsbehörden nach Ablauf einer gewissen Frist eine Untätigkeitsklage vor einem Verwaltungsgericht einreichen. Diese Möglichkeit hat der Bundesrat dem Bundestag gegenüber nicht. Das ist viel wichtiger als der bloße Verweis auf das Einzelbeispiel Franken-Sachsen-Magistrale.

Siehe auch: Einsatz für Franken-Sachsen-Magistrale gefordert
Foto: Deutsche Bahn AG / Martin Förster

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