Die Eisenbahn ist mehr als Verhandlungsmasse
17.04.23 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld
Es ist noch gar nicht lange her, da haben wir bundesweit über erhebliche Summen nicht verausgabter Regionalisierungsgelder gesprochen. Nordrhein-Westfalen hatte Ende 2020 sogar fast eine Milliarde Euro an aufgelaufenen Summen, die man nicht ausgegeben hat. Durch die allgemeinen Kostensteigerungen mag sich da was geändert haben und die Aufgabenträger laufen wieder in die Situation einer unterauskömmlichen Finanzierung.
Manch einer wird jetzt sagen, dass Abbestellungen von stark nachgefragten Zügen ja gar nicht möglich seien. Doch, sind sie. Wenn das Geld nicht mehr da ist, die Zugleistungen zu finanzieren, dann werden sie auch dann abbestellt, wenn sie rappelvoll sind. Bereits vor einigen Wochen haben die Aufgabenträger ja gesagt, dass sie wenn sich nichts tut bereits für 2024 gezwungen sein könnten, selbst RRX-Leistungen zu kürzen.
Wie also soll man darauf reagieren? Zunächst ist jetzt wirklich die gesamte Politik gefordert: Als wir vor etwa 15 Jahren bereits einmal eine unterauskömmliche Finanzierung der Aufgabenträger hatten, hatten wir gerade in Nordrhein-Westfalen eine Situation, in der die Landesregierungen sich geweigert haben, auch nur eine müde Mark mehr für die Schiene zu geben.
2007 wurden formal die Regionalisierungsgelder gesenkt – mit Zustimmung der Länder und nicht einseitig vom Bund. Im Gegenzug erhielten die Länder deutliche Überkompensationen aus den Mehreinnahmen durch die Umsatzsteuererhöhung. Tatsächlich floss also mehr Geld aus dem Bund an die Länder, aber ohne Zweckbindung. Diese Verweigerungshaltung der Landesregierungen wurden damals allerdings von weiten Teilen der Branche unterstützt, indem man einseitig Geld vom Bund verlangt hat.
Das sollte sich nicht wiederholen: Das Land ist ebenso in der Pflicht. Ich weiß auch nicht, was die Länder dem Bund in Verhandlungen anbieten wollen, wenn sie einseitig höhere Regionalisierungsgelder fordern. Ein Kompromiss könnte so aussehen: Über die bisherigen Regionalisierungsgelder hinaus können die Länder durch die Hinzugabe von eigenen Haushaltsmitteln für die Schiene den Zufluss weiterer Bundesmittel auslösen. Wenn also z.B. Nordrhein-Westfalen 300 Millionen Euro aus dem laufenden Haushalt für die Schiene gibt, dann kommen noch einmal 450 Millionen Euro vom Bund dazu. Wenn man dazu aber nicht bereit ist, dann fließen auch keine Bundesgelder.
Um eine weitere Zahl zu nennen: Der aktuelle Landeshaushalt in Nordrhein-Westfalen hat ein Volumen von knapp 93,4 Milliarden Euro. Aus einem solchen Etat etwas Geld für die Schiene freizumachen kann kein Hexenwerk sein, sondern ist ausschließlich eine Frage des politischen Willens. Wenn man das mit der Verkehrswende und der starken Schiene ernstmeint, dann geht das nicht mit einseitigen Forderungen an den Bund, sondern hier sind die Länder genauso gefordert. Denn wenn die Eisenbahn reine Verhandlungsmasse zwischen Bund und Ländern, zwischen Regierung und Opposition ist, dann wird das mit der Verkehrswende nicht klappen.
Siehe auch: VRS legt Bilanz 2022 vor
Foto: Kölner Verkehrsbetriebe AG / Christoph Seelbach