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Unverhältnismäßige Streiks unterbinden

27.03.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Grundsätzlich: Die Eisenbahner, die Mitarbeiter der kommunalen Betriebe und all die guten Geister, die unsere öffentlichen Verkehrsmittel am laufen halten, sollen einen guten Lohn bekommen. Da soll sich auch die hohe Inflation widerspiegeln. Angesichts des Arbeitskräftebedarfs und der hohen Konkurrenz um gute Mitarbeiter soll es durchaus auch den vielzitierten Schluck aus der Pulle geben – mehr Reallohn auch bei hoher Inflation, ich gönne es jedem.

In der Branche weiß man auch, dass die Personalkosten stark steigen werden und eines der Argumente für höhere Regionaliseirungsgelder und andere Zusatzzuschüsse durch die öffentliche Hand ist ja vorweggenommen, dass man in Zukunft mehr für Personal ausgeben wird. Ich bin der letzte, der einer guten Arbeit das gute Geld verweigern möchte. Allerdings: Was wir hier erleben ist nach wie vor ein Warnstreik.

Es gibt keine gescheiterten Tarifverhandlungen und es gibt auch keine Urabstimmungen. Die EVG macht jetzt mal einen Tag Warnstreik, das mag noch in Ordnung sein, wenn auch am oberen Ende der Skala. Was Verdi allerdings seit Wochen im kommunalen ÖPNV und weit darüber hinaus im öffentlichen Dienst veranstaltet ist jenseits jeder Verhältnismäßigkeit. Hier fehlt mir auch das Verständnis für die kommunalen Arbeitgeber, dass bislang niemand versucht hat, mehrtägige Warnstreiks, die über Wochen und Monate hinweg immer wieder stattfinden, vor dem Arbeitsgericht zu verhindern.

Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Streiks hat natürlich massiv damit zu tun, in welchem Stadium der Tarifverhandlungen man sich denn befindet. Vier Tage Warnstreik sind deutlich näher an der Unverhältnismäßigkeit als vier Wochen regulärer Streik, wenn im Vorfeld die Tarifverhandlungen gescheitert sind, wenn es eine Urabstimmung gab und wenn darüber hinaus vielleicht sogar auch ein Schlichtungsverfahren durch externe Vermittler keinen Erfolg brachte.

Das alles ist hier nicht der Fall und deshalb wäre es jetzt Sache der kommunalen Arbeitgeber, aber auch der von Verdi-Streiks betroffenen Eisenbahnunternehmen wie etwa Vias oder Regiobahn, gegen diese Ausstände vorzugehen. Wie soll es denn dann erst werden, wenn die Tarifverhandlungen Ende April denn tatsächlich keine Einigung finden, wenn es zu einer Urabstimmung kommt? Drohen dann vielleicht sogar unbefristete Streiks? Und wie gehen die Arbeitgeber dann mit der Situation um?

Man kann über die GDL vieles sagen, aber zum einen haben die selbst nach gescheiterten Schlichtungsverfahren noch nie unbefristet zu Streiks aufgerufen und zum anderen konnte man mit denen immer reden: Solange auch nur informelle Gespräche liefen, gab es Streikpausen. Natürlich haben es Minderheiten, wie sie durch eine Spezialgewerkschaft vertreten werden, potentiell immer schwierigerer ihre Interessen durchzusetzen als große DGB-Gewerkschaften. Aber auch hier ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem die Verhältnismäßigkeit überschritten ist. Trotz der legitimen Ansprüche auf eine gute Bezahlung für gute Arbeit.

Siehe auch: Großer Warnstreik am heutigen Montag
Foto: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft / Kay Herschelmann

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