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Gutes Personal als Schlüssel für eine gute Zukunft

09.03.23 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Vergessen wir nicht: Das offizielle Narrativ lautet nach wie vor, dass man die Fahrgastzahlen bis 2030 verdoppeln will. Man nennt keinen Bezugspunkt, man sagt auch nicht, ob die Zahl der Fahrgastfahrten oder die Zahl der Personenkilometer gemeint ist, aber man will die Fahrgastzahlen verdoppeln. Dem gegenüber steht, dass im vergangenen Kalenderjahr jedes zweite Unternehmen gezwungen war, zeitweise den Fahrplan auszudünnen, weil kein Personal da war.

Die Verrentungswelle der geburtenstarken Jahrgänge aus den Wirtschaftswunderjahren befindet sich gerade erst am Anfang: Wenn man davon ausgeht, dass die Geburtenzahlen in beiden deutschen Staaten zwischen 1955 und 1964 am höchsten war (1965 sanken in West- und Ostdeutschland erstmals wieder die Zahl der Neugeborenen), dann dann haben viele noch einige Jahre vor sich. Wer 1956 geboren wurde, geht dieses Jahr in den Ruhestand und wer 1964 geboren wurde, der verbleibt noch bis 2031 im Arbeitsleben – oder geht mit Abschlägen vielleicht früher.

Das ist ja auch so eine Sache über die man reden muss: Der Schichtdienst belastet die Gesundheit und können die Leute alle bis 67 in wilden Wechselschichten fahren? Im Eisenbahnwesen hat ein GDL-Tarifvertrag vor einigen Jahren dafür gesorgt, dass Mitarbeiter wahlweise bis zu 42 Urlaubstage haben. Kurzfristig mag das für die Unternehmen ärgerlich sein, weil sie lieber die Überstunden bezahlen würden, aber langfristig sichert ein solches Freizeitmodell die Arbeitskraft bis die Leute mit 67 in den wohlverdienten Ruhestand eintreten.

Wir müssen aber über etwas anderes sprechen: Es wird ausgebildet wie verrückt, aber wie lange bleiben die Leute denn? Der VDV scheint ebenso keine Daten zu haben wie andere Branchenbündnisse, die sich mit dem Thema Personalakquise befassen. In Österreich sagt man ganz offen, dass jeder fünfte Quereinsteiger innerhalb von zwei Jahren wieder weg ist.

Bevor man also versucht, die Rentner mit über siebzig weiter geringfügig als Bus- oder Bahnfahrer zu behalten (was im Einzelfall durchaus funktionieren dürfte), muss man sich Gedanken machen, wie junge Leute, die man für viel Geld ausgebildet hat, dauerhaft in der Branche hält. Die jahrzehntelange Grundannahme, dass die Leute um jeden Preis auf diesen einen Job angewiesen sind, funktioniert nicht mehr. Es gibt jede Menge Alternativen und Personal wird überall gesucht. Entsprechend muss man sich darauf einstellen, dass es in den kommenden Jahren erhebliche Tarifabschlüsse geben muss, aber deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt, damit der Job rund um die Schiene attraktiv bleibt.

Auch besondere Freizeitregelungen müssen vielleicht weiter ausgebaut werden, auch wenn es für die Arbeitgeber unattraktiv ist, aber sonst sind die Leute alsbald weg. Das muss man in der künftigen Kostenkalkulation berücksichtigen, dass mehr Leistungen auch überproportional teuer werden, damit gute und hochqualifizierte Arbeitnehmer bei der Schiene bleiben, obwohl sie jede Menge Alternativen haben. Das ist die große Herausforderung dieser Tage.

Siehe auch: VDV: Personalmangel verschärft sich weiter
Foto: Deutsche Bahn AG / Dominic Dupont

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