Die Gelegenheitsfahrer werden bleiben
20.03.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Mit dem Deutschlandticket wird sich eine Menge an Zugangshindernissen einfach erledigt haben. Niemand muss mehr Angst vor Zonen, Ringen oder Waben haben: Ist das Ticket jetzt bereits abgestempelt oder muss ich das noch machen? Steht auf dem einen Zug „Erst einsteigen, dann bezahlen“ und beim gleichen Zug auf dem Nachbarbahnsteig wäre das Ansinnen, im Zug einen Fahrschein zu erwerben bereits Schwarzfahren?!
Auf jeden Fall werden viele Fahrgäste, das hat man bereits in den 92 Kalendertagen vom 1. Juni bis zum 31. August 2022 gesehen, ihren Fahrschein einfach in der Tasche haben. Aber gerade beim Preis von 49 Euro hat man dann wiederum Gelegenheitsfahrer, bei denen es nicht so ist: Die brauchen auch weiterhin ihr Viererticket, das sie im Zeitraum von acht Wochen abfahren oder sogar ihr Einzelticket, dafür hin und wieder mit Fahrradmitnahme.
Wir erleben dieser Tage, dass viele Verkehrsverbünde schon jetzt Zusatzangebote für das neue Deutschlandticket vorbereiten: Für zwanzig, dreißig oder vierzig Euro kann man das Fahrrad mitnehmen, die erste Klasse nutzen oder nach 19 Uhr oder am Wochenende auch weitere Personen mitfahren lassen. Natürlich nur im jeweiligen Tarifverbund, nicht darüber hinaus. Hier vollzieht sich ein historischer Wandel in der Tariflandschaft und man fragt sich, ob man für diejenigen, die kein Deutschlandticket haben werden, überhaupt noch Angebote braucht. Ja, man braucht sie.
Zum einen weil es die Gelegenheitsfahrer ab dem 1. Mai noch geben wird, zum anderen weil das Deutschlandticket natürlich in naher Zukunft deutlich im Preis zu steigen droht. Tatsächlich hört man nichts mehr von der Formulierung 49-Euro-Ticket und es gab sogar schon einmal die Aussage, dass das neue Deutschlandticket zum Markteinführungspreis von 49 Euro zu haben sei, sodass die erste saftige Preiserhöhung indirekt bereits angekündigt wurde.
Das ist nur dann zu verhindern, wenn Bund und Länder es schaffen, sich auf eine Kofinanzierung der gestiegenen Kosten zu einigen: Im Moment gibt der Bund die gleiche Summe, die sich auch die 16 Bundesländer teilen und wenn man sich in den Bund-Länder-Verhandlungen darauf einigt, dass man die Kostensteigerungen auch weiterhin gemeinsam abfedert, dann bleibt der Preis konstant. Ist das aber nicht der Fall und es drohen Preissteigerungen, dann werden die Tarifangebote für Gelegenheits- und Wenigfahrer erst recht relevant.
Gerade hier liegt die Zukunft sowohl im Smartphone als auch in der Chipkarte: Dass ich als Nutzer eben nicht über tiefergehende Tarifkenntnisse verfügen oder mich darauf verlassen muss, dass der Kassierer an der Lottostelle solche hat. Einfach einchecken und los, die Abrechnung erfolgt dann später und auch automatisiert zum Bestpreis. Das kann dann durchaus soweit gehen, dass wenn der Preis von 49 Euro im Monat erreicht ist, nur dieser als nachträglich zu erwerbendes Deutschlandticket abgerechnet wird. Denn die Eisenbahnbranche muss es schaffen, die Nutzung so intuitiv zu ermöglichen wie die des eigenen Autos.
Siehe auch: Neue PwC-Studie zu Tarifangeboten
Foto: Deutsche Bahn AG / Max Lautenschläger