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Zeitenwende auf der Schiene?

02.02.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Während wir noch immer das Narrativ der Fahrgastverdoppelung bis 2030 hören, wobei nach wie vor unklar ist, im Vergleich zu welchem Bezugspunkt diese Verdoppelung stattfinden soll, schlägt die Eisenbahnkrise vielfältig zu. Das ist der Unterschied zwischen Realität und Ideologie, nur dass die Realität am Ende immer gewinnen wird. Während wir im Rhein-Main-Gebiet die erneute Verzögerung von Wasserstoffzügen erleben, die die Dekarbonisierung vorantreiben sollen, ist in der ganzen Republik bei Zugausfällen oft nur noch die Frage, ob es am Lokomotivführer oder am Fahrdienstleiter gemangelt hat.

Letztes Wochenende gab es in Ratingen und Mönchengladbach erstmals Streckensperrungen wegen nicht besetzter Stellwerke am Tag – bislang beschränkten sich solche Probleme auf die Abend- oder Nachtstunden und die logische Folge ist, dass im nächsten Schritt auch mal dienstags oder donnerstags von 6 bis 14 Uhr ein Stellwerk wegen Personalmangel unbesetzt bleibt; Berufsverkehr hin oder her. Da nutzt dann auch kein Deutschlandticket, das Pendler zwar im Prinzip entlastet, aber nur dann wenn sie sich auf ihre Züge verlassen können.

Das ist immer seltener der Fall und während man im Regionalverkehr mit den Aufgabenträgern dem Eisenbahnverkehrsunternehmen gegenüber eine Kontrollinstanz hat, gibt es im Fernverkehr gar nichts. Wenn so ein ICE oder InterCity nicht fährt, weil kein Personal da ist, wenn die Züge verschmutzt sind oder ähnliche Gründe vorliegen, die auf Seiten des Verkehrsunternehmens zu suchen sind, dann ist niemand zuständig.

Und wenn ein Stellwerk nicht besetzt ist und so ein Regionalzug nicht fährt, dann hat zunächst einmal auch das Unternehmen ein Problem, das den Regionalzug fährt und nicht das Infrastrukturunternehmen. Noch immer gibt es keinerlei Pönalisierungen im Infrastrukturbereich, wenn es dort zu Schlechtleistungen kommt. Wir sprechen über Digitalisierung und Vereinfachung der verschiedenen Finanzierungsinstrumente und das ist auch alles richtig.

Das Problem ist aber, dass wir eine schwere Eisenbahnkrise erleben, die entstanden ist, weil die grundständigen Dinge nicht mehr funktionieren. Man schafft es nicht, geeignetes Personal anzuwerben und wegen Corona ausgefallene oder verschobene Ausbildungskurse sind da sicherlich nur einer von vielen Faktoren. Wo kommt denn der Fahrdienstleitermangel her? Über Jahre hinweg ging man davon aus, dass man am Tag X so und so viele elektronische oder sogar schon digitale Stellwerke haben wird, entsprechend wurden Mitarbeiter reduziert, aber die Planstellen waren noch da.

Tarifvereinbarungen mit den Gewerkschaften haben zudem zu verstärkten Freizeitausgleichen geführt und endlose Überstunden, die für irgendwann mal aufgeschrieben werden sind nicht mehr möglich. Das alles hat die Lage verschärft. Bis 2030 wird man gar nichts verdoppeln, sondern kann allenfalls mit viel Mühe den Status Quo absichern. Erst danach kann man vorsichtig versuchen, ernsthaft Leistungsausweitungen zu generieren.

Siehe auch: Offiziell: Deutschlandticket ab Mai
Foto: 46173

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