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Die schlechte Entwicklung seit dem Einsturztag

27.02.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Kaum zu glauben, dass der Einsturz des Kölner Stadtarchivs schon 14 Jahre her ist. Subjektiv kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen. Wenn man sich diese Zeitspanne aber mal ansieht, stellt man sehr schnell fest, dass sich seitdem sehr viel getan hat im Schienenland Deutschland – allerdings nicht unbedingt zum guten. Wir erinnern uns, dass die DB AG im Oktober 2008, also wenige Monate zuvor, an die Börse gehen wollte.

Wegen der Finanzkrise wurde dieser Börsengang (zum Glück!) kurz vor knapp abgesagt. Folgerichtig waren damit auch die Tage von Hartmut Mehdorn gezählt, der ebenfalls im Frühjahr 2009 über einen schweren Daten- und auch Spionageskandal der DB Konzernsicherheit gestolpert ist. Es folgte die Berliner S-Bahnkrise, gebrochene ICE-Radsatzwellen und das Abellio-Urteil.

Kurz gesagt: Der Börsenkurs der DB AG wäre bereits in den ersten drei bis vier Jahren ins bodenlose gesunken. 2013 erlebten wir einen bundesweit diskutierten Skandal, weil der Mainzer Hauptbahnhof aufgrund fehlender Fahrdienstleiter für das dortige Stellwerk nur eingeschränkt anfahrbar war. Mit der Müngstener Brücke hat man im erweiterten Kölner Umland einen handfesten eigenen Infrastrukturskandal gehabt.

2009 ging man noch davon aus, dass der Tiefbahnhof Stuttgart 21 im Dezember 2017 eröffnet würde. Im Jahr 2023 wissen wir, dass mit einem Eröffnungstermin noch nicht zu rechnen ist. Vielleicht gibt es irgendwann einen Termin, an dem ein verbindlicher Termin genannt wird, aber ich würde mich nicht drauf verlassen. All das zeigt, dass sich die Situation rund um öffentliche Verkehrsmittel in Deutschland seit dem schrecklichen Tag im März 2009 erheblich verschlechtert hat.

Und hatten wir vor zehn Jahren wegen fehlender Fahrdienstleiter noch eine bundesweite Diskussion, so ist es heute gang und gäbe, dass Stellwerke abends oder am Wochenende vom Netz gehen; im nächsten Schritt auch im morgendlichen Berufsverkehr. Auch die kommunalen Verkehrsunternehmen müssen immer wieder Fahrten streichen, weil ihnen die Mitarbeiter fehlen.

Ein Ende der Misere ist nicht in Sicht und natürlich muss man den Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Zusammenhang sehen mit dem, was sonst noch auf der Schiene los ist; sowohl auf der kommunalen Schiene als auch auf der großen Eisenbahn. Derweil lautet das offizlelle Narrativ, dass man die Fahrgastzahlen bis zum Jahr 2030 verdoppeln möchte. Im Vergleich zu welchem Ausgangspunkt? Man weiß es nicht. Auch ob die Zahl der Fahrgastfahrten oder der Personenkilometer gemeint ist, bleibt offen.

Man hat es halt mit einer weitgehend politischen Ankündigung ohne Realitätsbezug zu tun. Derweil können nicht mal mehr die jetzigen Soll-Fahrpläne eingehalten werden und Leistungsausweitungen werden nicht an fehlender Finanzierbarkeit, sondern an fehlenden Ressourcen scheitern. So gesehen kann man den Einsturz des Kölner Stadtarchivs als den Start einer Eisenbahn- und ÖPNV-Krise sehen, deren Höhepunkt wahrscheinlich noch nicht erreicht ist. Das sind keine guten Nachrichten.

Siehe auch: Köln: Stadtarchiv-Einsturz vor dem Jahrestag
Foto: Kölner Verkehrsbetriebe AG / Christoph Seelbach

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