Die Leute wollen Bus und Bahn fahren
23.02.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Die steigenden Zahlen im VVS zeigen: Die öffentlichen Verkehrsmittel haben hohes Potential und auch wenn die Vorkrisenwerte des Jahres 2019 vielleicht noch nicht ganz erreicht werden, so geht der Trend weiter nach oben. Ob das im Berufsverkehr auch so ist, ist offen und zwar aus zwei Gründen: Zum einen gilt jeder, der in den Monaten Juni, Juli und August 2022 mit einem Neun-Euro-Ticket unterwegs war, als Freizeitfahrer – auch wenn er zur Arbeit gefahren ist.
Aus diesem Grund sind die Zahlen des Gesamtjahres 2022 hier nicht viel wert und wir müssen abwarten, wie es sich Anfang kommenden Jahres mit den Zahlen für 2023 darstellt. Allerdings haben wir natürlich auch eine geänderte Arbeitswelt, die sich in Teilen so hält. Während die Heimarbeit bis 2019 noch die große Ausnahme war, ist es jetzt gang und gäbe, dass manch ein Arbeitnehmer einen Teil seiner Arbeitszeit zuhause verbringt. Natürlich kann man den Kontakt zum Arbeitgeber nicht komplett per Telefon oder Internetkonferenzen halten, sodass hin und wieder schon die Anwesenheit vor Ort notwendig sein dürfte.
Aber ob es die Regel ist, dass jemand jeden Tag in ein Büro fährt, um dort an einem Computer eine Arbeit zu machen, die man auch am heimischen Computer machen kann, bleibt offen. Aus der Pflicht zum Home Office bleibt zumindest ein teilzeitiges Recht darauf vorhanden. Das ist im Interesse einer ressourcenschonenden Mobilität auch in Ordnung so. Für die Eisenbahn- und ÖPNV-Branche heißt das, dass man vielleicht etwas durchatmen kann. Denn spätestens ab Mai wird die Nachfrage durch das erheblich verbilligte Deutschlandticket steigen.
Ob man darauf vorbereitet ist? Das muss man abwarten und vielleicht ist wird auch DB Fernverkehr einer der Profiteure, weil es Leute gibt, die aufgrund der überfüllten Regionalzüge dann doch den teureren, aber parallel verlaufenden Fernverkehr z.B. von Bochum nach Düsseldorf oder von Koblenz nach Bonn nehmen. Auch die erste Wagenklasse könnte deutlich stärker nachgefragt werden, weil diese zumindest im Moment eine faktische Sitzplatzgarantie auch in überfüllten Zügen ist.
Manche Verkehrsverbünde diskutieren ja bereits über Angebote, dass man für die Summe X im Monet in einem bestimmten Verkehrsverbund auf das Deutschlandticket oben drauf die erste Klasse nutzen kann. Auf jeden Fall kann man sehen, dass das Potential für die Schiene da ist. Die Leute möchten fahren, sie möchten bei guten Angeboten ihre Autos stehen lassen.
Vertaktete Fahrpläne, gute Anschlüsse, wettbewerbsfähige Fahrzeiten: Dann kommen allen praktischen Erfahrungen zufolge stets mehr Fahrgäste als selbst optimistische Gutachter voraussagen. Die regelmäßig von der Allianz pro Schiene aktualisierte Broschüre Stadt, Land, Schiene zeigt die Erfolgsbeispiele überall in der Republik. Mit dem Deutschlandticket wird zudem die subjektive Zugangsschwelle sinken: Man kann es ja einfach mal ausprobieren. Wenn man also ernsthafte eine starke Schiene aufbauen will, dann sind das doch wirklich erfreuliche Erkenntnisse.
Siehe auch: VVS: Nachfrage steigt wieder an
Foto: VVS