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Digitalisierung ersetzt Zuverlässigkeit nicht

26.01.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist gar nicht lange her, da galt es als unvorstellbar, dass Schienen-Schulz und Eisenbahn Meier im täglichen Betrieb miteinander gesprochen haben. Obwohl, wenn wir ehrlich sind: Eigentlich haben die verschiedenen Unternehmen das immer getan, es war nur der ehemalige Monopolist, der Platzhirsch, der Einzelakteur, der heute noch Bundesbahn genannt wird, der in so einem Fall sagte, man könne nichts für die Nutzer tun, der Betreiber sei privat.

Hier hat sich eine Menge getan und das ist auch gut so. Hier müssen auch weiterhin die Aufgabenträger als unternehmensübergreifende Instanz dafür sorgen, dass die Leitstellen der unterschiedlichen Akteure miteinander sprechen. Wenn ich mit dem Zug des einen Unternehmens am Umsteigebahnhof ankomme und sehe, dass sich die Türen des Anschlusszuges am gleichen Bahnsteig gegenüber gerade schließen, dann ist das beim ersten mal ärgerlich.

Wenn sich das aber wiederholt und zur Regel wird, dann werden nicht wenige in Zukunft mit dem Auto fahren, denn da bleiben zehn Minuten auch zehn Minuten und werden nicht zu einer Stunde. Wenn ein Anschluss dann aber doch mal irreparabel platzt, dann ist es auch der richtige Ansatz, automatisiert nach alternativen Reiserouten zu suchen: Ich komme vielleicht über einen anderen Zwischenbahnhof dann doch wieder relativ zeitig nach Hause.

Das ist mit dem jetzt in der Pipeline steckenden Deutschlandticket umso einfacher, weil man sich keine Sorgen machen muss, dass eine alternative Reisestrecke plötzlich aus dem Tarifgebiet ABC 123 herausbricht und die Zeitkarte für den Berufspendler zwischen zwei Stationen auf der alternativen Route plötzlich nicht mehr gilt und man ohne böse Absicht zum Schwarzfahrer wird. Doch all diese Serviceverbesserungen sind nicht alles: Wir brauchen parallel dazu eine gestärkte Infrastruktur, die die Voraussetzungen dafür schafft, dass Verspätungen gar nicht erst entstehen oder falls doch dass sie möglichst schnell herausgefahren werden können.

Das muss auch in den Verkehrsverträgen festgehalten werden: Wenn die Regelfahrzeit zwischen A und B zehn Minuten beträgt, man die Strecke aber auch in acht Minuten schaffen kann, dann muss für den Fall, dass die Verspätung nicht maximal herausgefahren wurde, eine entsprechende Pönalisierung erfolgen. Sicherheit vor Pünktlich vor Wirtschaftlichkeit war mal das Prinzip der Eisenbahn und das tun die privaten Akteure nicht von sich aus, sondern nur wenn die Verkehrsverträge entsprechende Anreizregelungen haben.

Dann kriegt ein Lokomotivführer eben nicht mehr irgendeine Sachprämie für möglichst sparsame Fahrweise, sondern für viele herausgefahrene Verspätungen. Dazu gehört auch, dass man die Nutzung der Infrastruktur weiter flexibilisiert: Mehr Weichen, mehr Überhol- und Ausweichstellen und all die Dinge, die man in den 2000er Jahren abgebaut hat, weil man börsenfähig werden wollte. Das muss jetzt wieder her und es muss die Aufgabe künftiger Eisenbahnpolitik sein, dafür zu sorgen, dass die Infrastruktur künftig besser und nicht börsenfähig ausgestaltet wird.

Siehe auch: Bayern: Anschlussprüfung live per App
Foto: Deutsche Bahn AG / Christian Bedeschinski

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