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Die alten Themen sind die neuen

16.01.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Personalmangel ist eine der Hauptursachen für die schwere Eisenbahnkrise in Deutschland und das Thema wird uns auch 2023 sowie in den folgenden Jahren beschäftigen. Das betrifft nicht nur die DB AG, aber als Branchenprimus ist diese natürlich allen voran im Fokus des öffentlichen Interesses. Dieser Tage gibt es fast überall in der Republik Fahrplanausdünnungen wegen fehlender Triebfahrzeugführer oder früheren Betriebsschluss, weil Fahrdienstleiter fehlen und die Stellwerke dann abends zwischen 20 und 22 Uhr geräumt werden müssen – niemand ist da für die Nachtschicht, es gibt Busersatzverkehr.

In vielen Regionen melden aber auch die Busunternehmen ausgedünnte Fahrpläne, weil das Personal fehlt. Wer also meint, man könne einfach nach Lust und Laune Ersatzbusse bestellen, der irrt sich: Weder Busse noch ihre Fahrer wachsen auf den Bäumen, sondern hier ist der gleiche Mangel vorhanden wie bei Schienenfahrzeugen. Das zu lösen ist die Aufgabe dieses Jahrzehnts und wer jetzt noch von einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 spricht, der mag politisch gesteuerte Narrative unterstützen, mit der Realität hat das jedoch nichts zu tun.

Nun ist unklar wo der Bezugspunkt ist, sodass die Behauptung, man werde die Fahrgastzahlen verdoppeln ohnehin im luftleeren Raum steht, aber im wesentlichen muss man sich jetzt darauf konzentrieren, den Status Quo festzuhalten: Sicherstellen, dass Verrentungen aufgefangen werden und auch mit der fortschreitenden Digitalisierung den Personalbedarf insgesamt senken. So wie wir heute nicht mehr auf jedem Waggon einen Bremser und auf jeder Lokomotive einen Heizer haben, so braucht man nicht mehr alle paar Kilometer ein Relaisstellwerk, in dem ein Fahrdienstleiter sitzt. Notwendig sind Betriebszentralen, in denen der Kollege Computer die Weichen und Signale stellt und in denen der Fahrdienstleiter nur noch eine überwachende Funktion hat.

Dabei muss man nicht nur neue Leute anwerben, sondern auch dafür sorgen, dass der Personalbestand bleibt. Wir wissen nicht, wie hoch die Fluktuation ist und mein subjektiver Eindruck ist, dass man das in der Eisenbahnbranche auch gar nicht so genau wissen möchte. Die Österreicher sind da sehr viel offener: Schnellfluktuation ist dort definiert als ein Ausscheiden aus der Branche innerhalb der ersten 24 Monate und das betrifft rund zwanzig Prozent der neu eingestellten Mitarbeiter.

Wenn man davon ausgeht, dass diese Zahl in Deutschland ähnlich ist, dann muss man sagen, dass hier ein ebenso großes, aber kaum beachtetes Problem entsteht: Dass die Leute nämlich nach einer Weile keine Lust mehr haben. Die Annahme, dass ein Eisenbahner um jeden Preis auf seinen Eisenbahnjob angewiesen ist, mag in der Vergangenheit gestimmt haben, heute tut sie das nicht mehr. Man muss sich also nicht mehr nur um neue Leute kümmern, sondern auch die bei Laune halten, die schon da sind. Dazu braucht man neben guter Bezahlung auch soziale Arbeitsbedingungen und vor allem menschliche Wertschätzung für ein gutes Miteinander.

Siehe auch: DB AG plant neue Personalkampagne
Foto: Deutsche Bahn AG / Mat Neidhardt

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