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Das Tarifjahr 2023 ist eingeläutet

19.01.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Das Thema schließt an das vom letzten Montag an: Wir haben in der Eisenbahnbranche nicht nur ein Problem mit der Personalakquise, sondern auch damit, die Mitarbeiter zu halten. Die EVG spricht hier erstmals aus, was bislang unter den Tisch gefallen ist, aber nicht alle Angestellten der verschiedenen Eisenbahnunternehmen gehen aus Altersgründen in den Renteneintritt, sondern weil sie sich komplett umorientieren.

Damit ist nicht der Wechsel von DB Regio zu National Express oder von der Westfalenbahn zum Metronom gemeint, sondern der Wechsel in die Industrie oder das Handwerk. Wer ursprünglich Elektriker oder Sanitärinstallateur gelernt hat, kann in diesen Beruf auch wieder zurück und wer bei Opel in Bochum gearbeitet hat, der wird auch bei Daimler-Benz in Düsseldorf oder bei Ford in Köln genommen; selbst wenn er zwischendurch einige Jahre bei der Eisenbahn war.

Die Zeiten in denen die Leute um jeden Preis auf diesen einen Job angewiesen sind sind vorbei. Eine entsprechende Entwicklung hat es im Bereich des kommunalen Busverkehrs bereits gegeben, als im Tarifvertrag Nahverkehr die Entgeltgruppe 5a wieder abgeschafft wurde bzw. man die Busfahrer in die Entgeltgruppe 5 eingruppiert hat: Weil die Absenkungstarifverträge nicht mehr funktionieren, wenn es außerhalb des Unternehmens und der Branche Alternativen gibt.

Denn der Straßenbahnfahrer ist genauso ein Mangelberuf wie der Lokomotivführer; auch wenn natürlich ein 1:1-Wechsel nicht so ohne weiteres möglich ist. Wer für Transregio in Köln fährt, der kann zwar zu DB Fernverkehr wechseln, nicht jedoch so ohne weiteres zur KVB. Aber auch hier: Neben der Akquise muss man auch wirksame Mittel finden, die Leute langfristig zu halten. Hohe Lohnabschlüsse wird es angesichts der aktuellen Inflation überall in Deutschland geben.

Die Zeiten der politisch vorgegebenen „Lohnzurückhaltung“ aus der Zeit rund um die Jahrtausendwende sind vorbei. Auch dass man die Leute dazu bringen kann, immer mehr Überstunden zu machen findet in modernen Tarifverträgen ein Ende. Da werden Überstunden nicht mehr aufgeschrieben und womöglich auch nicht mehr bezahlt, sondern müssen zeitnah wieder abgefeiert werden. Mit zusätzlichen Freizeitregelungen mag man zwar kurzfristig den Personalmangel verschärfen, sichert aber langfristig die Arbeitskraft der Mitarbeiter bis sie 67 Jahre alt sind – oder noch älter, denn wir wissen nicht, wie sich das Renteneintrittsalter in den kommenden Jahren noch einmal verändern wird.

Wenn ein Lokomotivführer mit 61 Jahren aus gesundheitlichen Gründen die Tauglichkeit für den Fahrdienst verliert, dann hat er noch sechs Berufsjahre vor sich und unendlich viele Stellen als Pförtner in der Werkstatt und ähnliches gibt es nicht. Man muss also die Arbeitskraft auch im Interesse des Arbeitgebers absichern. Das führt dazu, dass künftige Verkehrsverträge teurer werden und dass die Lohnkosten auch während der Laufzeit steigen. Hier müssen sich die Aufgabenträger angemessen beteiligen, denn eine ausreichende Personalausstattung ist im Interesse aller.

Siehe auch: EVG kündigt hohe Tarifforderungen an
Foto: Deutsche Bahn AG / Uwe Miethe

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