VDB legt Halbjahresbilanz vor
21.11.22 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V. zieht eine ambivalente Bilanz für das erste Halbjahr 2022: Der Umsatz liegt mit 6,8 Milliarden Euro rund 1,5 Prozent über dem Vorhalbjahreswert. Das Inlandsgeschäft steigt um 24 Prozent. Auch im Auftragseingang verzeichnet die Bahnindustrie im ersten Halbjahr 2022 mit 9 Milliarden Euro ein Plus von rund 29 Prozent, insbesondere durch das wachsende Auftragsvolumen im Inland.
Während der Infrastrukturumsatz im Heimatmarkt bei 1,3 Milliarden Euro stagniert, wächst das traditionell gute Fahrzeuggeschäft mit 5,1 Milliarden Euro robust um 13 Prozent. „Insgesamt starke Zahlen für die weltwirtschaftliche Lage der letzten Jahre. Das ist allerdings maßgeblich auf Großprojekte im Fahrzeugbereich zurückzuführen. Grundsätzlich geht es immer noch viel zu langsam voran mit der Verkehrswende, wie man am Infrastrukturgeschäft deutlich erkennen kann“, sagte VDB-Präsident Andre Rodenbeck.
Der Auslandsumsatz sinkt im ersten Halbjahr 2022 um 35 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro. Auch der Auftragseingang außerhalb Deutschlands geht um sieben Prozent zurück. Die Regression im Export sei auf die andauernde Lieferkettenkrise und verschobene oder gestreckte öffentliche Aufträge zurückzuführen. Perspektivisch gerate die Ertragslage aufgrund steigender Energiekosten, der Inflation sowie belasteter Lieferketten weiter unter Druck. Die Auswirkungen der Krisen der letzten Jahre kämen laut Rodenbeck sichtbar in der Bahnindustrie an.
„Wir müssen angesichts der aktuellen Lage damit rechnen, dass uns bei vollen Auftragsbüchern Ende des Jahres trotzdem betriebswirtschaftlich ernste Situationen drohen“, warnt Rodenbeck. Die Bahnbranche arbeitet überwiegend mit langlaufenden Liefer- und Rahmenverträgen zu festen Preisen. Es besteht für die Bahnindustrie somit kaum eine Möglichkeit, die aufgrund der derzeitigen Lage massiv gestiegenen Kosten von Materialien und Komponenten fair weiterzugeben.
Der VDB fordert deshalb das Aussetzen der Preisbasis von Bestandsverträgen und Überführung der Einzelprojekte auf die Preisbasis aktueller Verträge sowie die Vereinbarung von Preisgleitklauseln und Regelungen zu höherer Gewalt in Neuverträgen. „Die Inflation darf nicht nur das Problem der Hersteller und Auftragnehmer bleiben“, sagte Rodenbeck.
Beschaffungsstellen müssten in die Lage versetzt werden, die aktuelle Situation finanziell zu kompensieren. Sonst werde es schnell zu Verschiebungen oder Reduzierung von Schienenaufträgen kommen. „Die Beschaffung neuer Schienenfahrzeuge jetzt zu verschieben, ist für die Energieeffizienz, den Klimaschutz und nicht zuletzt für den Fahrgast absolut kontraproduktiv“, erklärte Rodenbeck.
Auch bei den steigenden Energiekosten sei dringender Handlungsbedarf. Die Bahnindustrie brauche schnelle und praxisnahe Unterstützung des Bundes in Form eines Energiepreisdeckels und eines Rettungsschirms für Unternehmen in unverschuldet existenzbedrohenden Situationen.
Foto: Alstom