Die Einheit auch auf der Schiene vollenden
21.11.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Normalerweise sage ich immer, dass die Länder eine Mitverantwortung haben, wenn zwei Landesverkehrsminister fordern, dass der Bund etwas machen muss. Das ist auch so, aber im konkreten Fall reden wir beim Ausbau der Franken-Sachsen-Magistrale über ein bundesweites Projekt, das nach Mauerfall und Einheit längst überfällig ist. Natürlich muss es vernünftige Eisenbahnverbindungen aus Bayern nach Sachsen und das weiter nach Berlin geben.
Hier ist vor allem der Bund zuständig: Sowohl die durchgehende Elektrifizierung und Streckenertüchtigung als auch das anschließende Verkehrsangebot im SPFV zu organisieren. Auf der „größten Dieselinsel Deutschland“ nutzen auch keine Hybridfahrzeuge, Wasserstoffzüge oder was es sonst noch für Hokuspokustechnologien gibt, sondern hier muss eine Oberleitung hängen, damit im überregionalen Verkehr sowohl der Personen- als auch der Güterzug rollen kann.
Überhaupt muss man sich fragen, wieso die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit auf der Schiene noch nicht alle vollendet sind. Diesen Monat jährte sich der Fall der Berliner Mauer zum 33. mal – längst ist die Mauer deutlich länger weg als sie gestanden hat und in einigen Jahren wird auch die DDR länger in der Vergangenheit liegen als dieser kommunistische Staat im Osten Deutschlands existiert hat.
Warum also haben wir die Löcher im Eisenbahnnetz, die durch die deutsche Teilung geschlagen wurden, nicht längst alle gestopft? Allein dass das noch nicht passiert ist, dokumentiert ein massives Versagen gesamtdeutscher Eisenbahnpolitik von der Nachwendezeit bis heute. Natürlich ist es richtig, dass man bei Ausbauprojekten ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis braucht.
Wir leben nicht mehr in irgendeiner Pionierzeit, als man auf gut Glück Gleise gebaut hat. Auf der anderen Seite weiß aber auch jeder, dass man solche Gutachten so beeinflussen kann, dass der politische Wille berücksichtigt wird. Wenn ein Verkehrsminister bestimmte Projekte nicht mehr möchte, dann hat man bereits in der Vergangenheit immer wieder Neubewertungen gehabt, die Projekte unwirtschaftlich haben erscheinen lassen.
Aber auch hier wären jetzt die Länder gefragt, etwa indem man Gegengutachten beauftragt, mit denen man nachweisen kann, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis eben doch nicht so negativ ist, wie der Bund hier suggeriert. Und wenn wir schon vom SPFV reden, dann müssen die Länder nach mehreren gescheiterten Bundesratsinitiativen zur Schaffung von Fernverkehrsgesetzen auch hier andere Saiten aufziehen.
Der Bund ist laut Artikel 87e des Grundgesetzes verpflichtet, den Fernverkehr zu organisieren, das nähere regelt ein Bundesgesetz. Zweimal hat der Bundesrat ein solches Gesetz verabschiedet, beide male wurde es nie im Bundestag debattiert. Jetzt wäre es an der Zeit, dass sich einige Landesregierungen zusammenschließen und beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Umsetzung eines solchen Gesetzes einklagen. Nur mit Bitte-Bitte wird man nichts erreichen, man braucht auch geeignete Druckmittel.
Siehe auch: Debatte zum Ausbau der Franken-Sachsen-Magistrale
Foto: Deutsche Bahn AG / Matthias Sieber