Auch kommunale Strukturen erhalten
10.11.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Es ist gar nicht solange her, da hätte ich an dieser Stelle gesagt, dass man damit leben muss, wenn ein Unternehmen im kommunalen Eigentum eine Ausschreibung nicht gewinnen kann. Die verantwortlichen Stellen werden sicher ihre Gründe haben, dass sie sich für eine wettbewerbliche Ausschreibung und gegen eine ebenfalls mögliche Inhouse-Vergabe entscheiden.
Das wäre möglich, denn die Bodensee-Oberschwaben-Bahn befindet sich vollständig im Eigentum der anliegenden Gebietskörperschaften. Sie tritt nicht woanders in Ausschreibungswettbewerben an und ist deshalb auf den Auftrag im Heimgebiet angewiesen. Man kann ihr nicht den Vorwurf machen, aus einem geschlossenen Markt heraus woanders in den Wettbewerb einzutreten. Dennoch möchte man im Ländle die Ausschreibung.
Doch eine Erfahrung ist neu seit den 2020er Jahren: Dass nämlich ein Unternehmen auch verschwinden kann und wenn es einmal weg ist, dann kommt es nicht wieder. Wir haben das bei der Städtebahn Sachsen gesehen und wir haben es bei Abellio gesehen, einem absoluten Big Player und langjährigem Qualitätsführer.
Gerade in Baden-Württemberg ist man nach dem Schutzschirmverfahren von Abellio den Weg gegangen, den Verkehr über die SWEG wieder die Hände des Landes zu holen: Weg von der Ausschreibung heißt gerade nicht, dass man die Aufträge der DB AG schenkt (auch wenn diese sich das sicherlich ebenso wünscht wie diverse Vorfeldorganisationen), sondern dass man eigene Unternehmen hat, die man steuern kann und die tatsächlich für das Land fahren, in dessen Eigentum sie steht.
Umgekehrt aber hat man in Baden-Württemberg auch gesehen, dass man es plötzlich mit all den Problemen zu tun kriegt, die man halt so kriegt, wenn man als bislang relativ kleine Eisenbahn bei den großen mitspielen möchte. Da ist auf einmal die GDL und hat den berechtigten Anspruch, für ihre Mitglieder Tarifverhandlungen zu führen. Bei der SWEG geht das soweit, dass man sich sogar dafür entschieden hat, die ehemalige Abellio Rail Baden-Württemberg GmbH wieder abstoßen zu wollen, nur um ja nicht mit einer als unangenehm empfundenen Gewerkschaft über Tarifverträge verhandeln zu müssen.
Das heißt aber auch, dass man sich in Zukunft verstärkt abhängig macht von anderen, von externen Bietern. Da ist die kritische Frage natürlich naheliegend, dass es sinnvoll ist, die Struktur kommunaler und landeseigener Unternehmen zu erhalten, damit man eben nicht zwingend darauf hoffen muss, dass ein privates Unternehmen sich an künftigen Ausschreibungen beteiligen wird.
Im Zweifel wird es immer den einen Bundesbieter geben, der an den Start geht – aber wir wissen auch, zu welchen Bedingungen das passiert, wenn es keine Konkurrenz gibt und dass die Bundes-Bahn AG gerade das Gegenteil einer gemeinwirtschaftlich oder politisch steuerbaren Staatseisenbahn ist. Deshalb sehe ich hier Licht und Schatten, wenn man ein etabliertes kommunales Unternehmen einer solchen existenziellen Bedrohung aussetzt. Man wird sehen, wo das hinführt.
Siehe auch: BOB fürchtet Ausschreibungsverlust
Foto: Bodensee-Oberschwaben-Bahn GmbH & Co. KG