Akkuzug-Testfahrten in Schleswig-Holstein
03.11.22 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld
Der Zeitpunkt für die Inbetriebnahme der ersten Akku-Züge in Schleswig-Holstein nähert sich mit großer Geschwindigkeit. Bei Testfahrten mit den neuen Fahrzeugen auf der Strecke zwischen Kiel und Lübeck in der letzten Woche war der Akku-Zug der Firma Stadler zum ersten Mal auf einer seiner späteren Einsatz-Strecken unterwegs. Die Testfahrten gaben Gelegenheit, das sogenannte Fahrerassistenzsystem zu erproben.
Ziel ist es optimiert zu fahren, also energiesparend und trotzdem pünktlich. Auch die Funktion der Fahrgastinformationssysteme wird getestet, also Lautsprecherdurchsagen sowie Display-Anzeigen am und im Fahrzeug. Der Akkuzug hält auf den Testfahrten zwar an allen Stationen auf der Strecke und öffnet auch die Türen, einsteigen können Fahrgäste jedoch erst, sobald die neue Akku-Flotte im regulären Schienenpersonennahverkehr eingesetzt wird, was für Mai 2023 vorgesehen ist.
Auf den Linen RE 83/84 Kiel – Lübeck – Lüneburg werden dann Dieselfahrzeuge von den neuen Akku-Triebwagen, die mit Ökostrom fahren, abgelöst. Somit wird der SPNV auf dieser Strecke nicht nur emissionsfrei – die neuen Fahrzeuge bieten auch mehr Komfort: deutlich größere Beinfreiheit und Abstand, bequemere Sitze, Steckdosen und Tische an jedem Platz, mehr Fahrradstellplätze.
Der Einsatz von Akku-Zügen ist ein wichtiger und großer Schritt, Schleswig-Holsteins Schienenpersonennahverkehr bis 2030 klimaneutral aufzustellen. Mit den eingesetzten Zügen, die in den kommenden Jahren auf den zahlreichen Bahnstrecken eingesetzt werden, können ohne Oberleitung jedes Jahr ca. zehn Millionen Liter Dieselkraftstoff eingespart und jährlich ca. 26.000 Tonnen CO2-Ausstoß vermieden werden.
2016 hat das Land Schleswig-Holstein das Vergabeverfahren „SH-XMU“ mit dem Ziel gestartet, möglichst emissionsfreie Fahrzeuge für den Schienenverkehr zu beschaffen und gleichzeitig die Wettbewerbssituation bei Fahrzeugen und Verkehrsleistung zu verbessern. In der Vergabe SH-XMU I war die Stadler Pankow GmbH am 1. Juli 2019 als Entwickler, Hersteller und Lieferant der 55 Züge ausgewählt worden. Stadler wird außerdem für dreißig Jahre für die Instandsetzung der Züge verantwortlich sein. Die Fahrzeuge für den Betrieb werden den künftigen Verkehrsunternehmen damit gestellt.
Auch für die Instandhaltung sind sie nicht verantwortlich. Das übernimmt Stadler mit einer neuen Werkstatt, die in Rendsburg gebaut wird. Mit der Umstellung der Verkehrsverträge auf das Bruttoprinzip geben die Verkehrsunternehmen außerdem erstmalig die Erlösverantwortung an das Land ab. Die neuen Betreiber sind dabei auch vertraglich verpflichtet, das Personal der bisherigen Betreiber zu den bisherigen Konditionen zu übernehmen.
Das Land hat nach erfolgreicher zweiter Ausschreibung (Vergabe SH-XMU II) die Paribus Holding GmbH & Co KG beauftragt, die Züge zu kaufen und anschließend für 30 Jahre an die vom Land auszuwählenden Eisenbahnverkehrsunternehmen zu vermieten. Das Hamburger Unternehmen wird damit die erste große Beschaffung von modernen Batterietriebzügen in Deutschland sowie in der EU finanzieren. Dazu nimmt Paribus eine vom Land gewährte Kapitaldienstgarantie in Anspruch und kann so eine günstige Finanzierung sicherstellen. Paribus wird zusätzlich die Bauphase technisch begleiten.
Für die Übergangszeit von Dezember 2022 bis Dezember 2024 hat das Land nach einer weiteren Teil-Ausschreibung (Vergabe SH-XMU III) DB Regio beauftragt, eine Transferflotte bereitzustellen. Diese umfasst 22 Dieseltriebzüge des Typs Coradia Lint 41 von Alstom für den Betrieb und bis zu vier weitere als Werkstattreserve. Die Fahrzeuge, die bereits heute in den Netzen Ost und Nord eingesetzt werden, sollen in Kiel instandgehalten werden.
Die Vergabe SH-XMU IV (Akkunetz) schließlich beinhaltete die Verkehrsleistung. Diese wurde in drei Netze (Ost, Ost-West und Nord) aufgeteilt. Für Netz Ost (Teil-Betriebsaufnahme im Dezember 2022 zwischen Kiel-Hbf – Oppendorf) wurde erixx Holstein, für die beiden anderen die nordbahn beauftragt. Bei der Suche nach neuer Fahrzeugtechnik für Schleswig-Holstein gingen das Land und die Nah.SH ergebnisoffen in die Ausschreibung.
Vor dem offiziellen Start führten die Beteiligten ausführliche Gespräche mit verschiedenen potenziellen Fahrzeugherstellern, um verschiedene Möglichkeiten abzuklären. Im Verfahren waren potenzielle Hersteller von Zügen mit Wasserstoffantrieben beteiligt. Sie gaben dann aber nur Angebote für Fahrzeuge mit Batterieantrieb ab.
Siehe auch: Auch an den grauen Alltag denken