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Wir erleben eine historische Veränderung

20.10.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Was wir hier erleben ist eine Veränderung, ein Einschnitt in die Eisenbahnpolitik, wahrscheinlich größer, mindestens aber genauso groß wie die Eisenbahnreform 1994 und die Regionalisierung 1996: Nach Jahrzehnten der Nutzerfinanzierung, man war stolz, dass der Nutzer rund neunzig Prozent der Kosten selbst finanziert, kommt jetzt das: Pendler werden künftig dauerhaft entlastet, es gibt kein vorübergehendes Billigangebot, sondern der Preis sinkt massiv und für immer.

Wer bislang von Wuppertal nach Köln pendelt, zahlt derzeit rund 240 Euro, bald nur noch 49 Euro. Das ist eine Entlastung von rund 190 Euro im Monat: Da kann sich jeder Gedanken drum machen, wie hoch eine Brutto-Gehaltserhöhung wohl sein muss, damit man effektiv 190 Euro netto mehr in der Tasche hat. Vor allem aber haben auch Freizeitpendler nicht mehr den Zeitdruck, dass sie innerhalb von neunzig Kalendertagen alles abrasieren müssen, was man von Flensburg nach Füssen sehen kann, weil der Aktionszeitraum dann vorbei ist und man wieder den Normalpreis zahlen muss.

Viele Bürger werden ihre Zugangshemmnisse verlieren, weil man es deutlich einfacher nur mal ausprobieren kann. Einfach mal für einen Monat kaufen, ausprobieren und sehen, wie es funktioniert. Dabei werden alle entlastet: Wer jeden Morgen zehn Minuten mit dem Bus fährt ganz sicher weniger, aber für den haut der Preis für die Zeitkarte nicht so rein wie bei demjenigen, der jeden Tag eine knappe Stunde mit dem Zug fahren muss.

Deshalb sollte man auch nicht den Fehler machen und ein solches Modell zerreden oder neue Vorschläge machen. Nein, jetzt kriegen wir eine massive Verbesserung für alle Fahrgäste und die gilt es jetzt zum 1. Januar einzuführen. Wenn sich die Einführung aufgrund bürokratischer Hindernisse verschieben sollte, ist das schon der erste Misserfolg: Jeder, der jetzt ein Monatsticket hat, soll ab dem Monat Januar 2023 nur noch 49 Euro bezahlen. Wie es zukünftig mit Semestertickets ist wird man sehen und die Frage stellt sich auch erst zum 1. April. Dann gelten die eben auch bundesweit, aber das sind Kleinigkeiten.

Wichtig ist, dass das Konzept dauerhaft solide finanziert wird. Neben den Mehrkosten durch Einnahmeausfälle muss man auch dafür sorgen, dass die gestiegenen Kosten für Verkehrsverträge zu schultern sind. Wenn die Mitarbeiter künftig teurer werden, dann muss man das finanzieren. In den kommenden Jahren sind inflationsbedingte Lohnabschlüsse zu erwarten, manche benutzen den Begriff Lohn-Preis-Spirale.

Auch der Fahrstrom wird teurer und hier kommt es darauf an, ob dieser bei künftigen Entlastungspaketen berücksichtigt wird oder nicht: Wenn die Ampelkoalition mögliche Entlastungspakete bei der Elektrizität auch den Fahrstrom mit einbezieht, dann steigen die Kosten nicht so stark als wenn man das nicht tut. Wir alle kennen die Inflationsrate und es sieht angesichts der Entwicklung bei den Erzeugerpreisen nicht so aus, als würde sich das ändern. Deshalb muss hier der Staat eingreifen, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. Auch bei der Eisenbahn.

Siehe auch: 49-Euro-Ticket soll kommen
Foto: Didgeman

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